Zucht auf Fitness

Eine leistungsfähige, fitte Kuh, die mit Belastungen gut zurechtkommt, wünscht sich jeder.

Mit ausschliesslich züchterischen Mitteln ist sie allerdings nur schwer zu erreichen.

Die Rasse muss passen

Die Zucht auf Fitness beginnt bei der Auswahl der Kuh-Rasse an, die sich am besten für Deinen Betrieb eignet.

Denn nur eine Kuh, die in das System und zu den Rahmenbedingungen des Betriebs passt, kann dort gesund und fit leben.

Praxis-Tipp

Samuel Krähenbühl, Teamleiter Produktentwicklung bei Swissgenetics, empfiehlt:

«Eine Hochleistungskuh kann noch so hohe Zuchtwerte für Fitness haben: Wenn sie nicht ausreichend versorgt ist, produziert sie in den meisten Fälle noch immer viel Milch, wird aber beispielsweise tendenziell eine schlechte Fruchtbarkeit haben. Die gleiche Kuh in einem System, das ihren Bedürfnissen entspricht, kann aber sehr fit sein. Eine etwas extensivere Rasse leistet zwar unter ähnlichen Umständen weniger, kann aber mit den schwierigeren Rahmenbedingungen besser umgehen».

Teilzuchtwerte für Fitness

Bei allen Schweizer Milchviehrassen gibt es heute Teilzuchtwerte für die Fitness.

Die weibliche Fruchtbarkeit trägt zu diesem Fitness-Zuchtwert rechnerisch rund die Hälfte bei. Ausserdem sind Merkmale zur Eutergesundheit und zur Nutzungsdauer darin enthalten.

Fitnesswert (FIW) beim Braunvieh-Zuchtverband

Der FIW setzt sich zusammen aus

  • 42 % weibliche Fruchtbarkeit
  • 20 % Zellzahl
  • 11 % Persistenz
  • 11 % Nutzungsdauer
  • 6 % Mastitis-Resistenz
  • 6 % Fundament
  • 4 % Milchfluss

Index Funktionalität (IFF) bei Swissherdbook und Holstein Switzerland

  • 45 % weibliche Fruchtbarkeit
  • 25 % Zellzahl
  • 10 % Persistenz
  • 20 % Nutzungsdauer

Praxis-Tipp

Samuel Krähenbühl stellt allerdings fest:

«Leider funktioniert die Zucht auf Fitnessmerkmale nicht so schnell und effizient, wie es die Züchter gerne hätten. Grund ist die tiefe Erblichkeit. Besonders die Fruchtbarkeit beeinflussen die Gene nur wenig. Der Einfluss der Umwelt auf die weibliche Fruchtbarkeit ist dagegen viel stärker. Das ist auf den ersten Blick ernüchternd. Trotzdem: Man kann sie züchterisch bearbeiten und durch die genomischen Zuchtwerte ist die Sicherheit der Zuchtwerte gestiegen». 

Die Heritabilität (Erblichkeit)

Die Heritabilität (Erblichkeit) gibt an, wie stark statistisch gesehen ein sichtbares oder messbares Merkmal (Phänotyp) eines Tiers, auf dessen Gene oder aber auf Umwelteinflüsse zurückzuführen ist.

Heritabilität der Fruchtbarkeit

Die Heritabilität (Erblichkeit) der Fruchtbarkeitsmerkmale ist tief (0.01-0.05).

Das bedeutet: Nur 1-5 % des Merkmals ist genetisch begründet - die Umwelteinflüsse haben einen viel grösseren Anteil von über 95 %.

Heritabilität der Eutergesundheit

Die Heritabilität (Erblichkeit) der Eutergesundheit liegt bei 0.25.

Das bedeutet: Ein Viertel der Eutergesundheit einer Kuh ist genetisch und rund drei Viertel durch Umwelteinflüsse begründet. 

Neue amerikanische Zuchtwerte

Bis vor wenigen Jahren zählte in der nordamerikanischen Zucht hauptsächlich die Leistung und die Inhaltsstoffe – und in Kanada noch etwas das Exterieur.

Das hat sich mittlerweile geändert.

So gibt es bei den amerikanischen Holsteins immer neue Zuchtwerte: «feed efficiency» (Futterverwertung) aber auch ausgeprägte Fitnesskriterien wie «Livability» (Überlebensdauer) oder Stoffwechselzuchtwerte.

Deren Heritabilitäten sind allerdings sehr tief.

Immunity +

SEMEX hat mit Immunity+ einen eigenen Zuchtwert für ein robustes Immunsystem definiert.

Er enthält neben den Informationen aus genomischen und traditionellen Zuchtwerten auch die Immunreaktion des jeweiligen Stiere selbst

Er ist daher -verglichen mit anderen Fitnesszuchtwerten- sicherer.

Voraussetzung Exterieur

Neben den Teilzuchtwerten FIW oder IFF haben auch die Exterieurmerkmale einen Einfluss auf die Fitness einer Kuh.

Durch die Zucht auf ein besseres Exterieur gelang es bereits vor der Einführung der Fitness-Zuchtwerte die Langlebigkeit von Kühen zu verbessern.

Denn die «Zucht auf fitte Kühe» bedeutet auch «Zucht auf ausbalancierte Kühe».

Der Eutersitz

Ein hoch aufgehängtes Euter ist oft gesünder.

Es erkrankt tendenziell weniger an Entzündungen und produziert qualitativ bessere Milch. 

Das Becken

Ein ideal geneigtes, breites Becken ist fruchtbarer.

Es erleichtert tendenziell den Geburtsablauf und die Kühe haben weniger Senkscheiden.

Praxis-Tipp

Samuel Krähenbühl sagt weiter:

«Die in den Fitness-Zuchtwerten enthaltenen Kriterien sind sicherlich nicht falsch, um dem Ziel einer «fitten Herde» näher zu kommen. Sie alleine reichen aber bei weitem nicht aus, dieses Ziel auch zu erreichen. Dazu sind die Einflüsse durch die Umwelt zu gross. Bei aller Begeisterung für den Einsatz der «richtigen» Genetik dürfen wir das nie, nie vergessen: Gerade bei den Merkmalen, welche für die Fitness wichtig sind, ist die statistische Sicherheit tief».

Das Management zählt

Das Management auf Deinem Betrieb gewichtet im Punkt Fitness schwerer als die eingesetzte Genetik.

Eine fitte Herde erreichst Du also in erster Linie durch

Merke

  • Die Zucht auf Fitness ist möglich, erwarte aber keine Wunder
  • Kein Fitnesszuchtwert kompensiert ein schlechtes Management
  • Die ausgeglichene Kuh ist auch eine fitte Kuh

 

Beratungsartikel

Den Inhalt dieser Seite kannst Du Dir in Form des Beratungsartikels «Die fitte Kuh macht Züchter glücklich» (Toro 03/2020) als pdf downloaden.