Die Geburt

Die Geburt kann in 5 Phasen eingeteilt werden. 

1. Die Vorbereitungsphase

Die Vorbereitungsphase dauert 2-3 Wochen.

Diese körperlichen Veränderungen zeigen, dass die Geburt in Gang kommt:

    Aufeutern

    Das Euter füllt sich und wächst - Man spricht vom «Aufeutern». 

    2. Die Öffnungsphase

    Die Öffnungsphase dauert 6-16 Stunden.

    In dieser Phase kannst Du folgende Signale an Deiner Kuh beobachten:

    • Sie separiert sich auf der Weide von der Herde
    • Sie stellt den Schwanz ab
    • die Fruchtblase, die die Geburtswege weitet, erscheint

    Praxis-Tipp

    Lasse die Kuh und die Fruchtblase in Ruhe.  Leiste nie vor dem Blasensprung aktive Geburtshilfe! Schaue höchstens, dass sich Deine Kuh wohlfühlt und sie keinem unnötigem Stress ausgesetzt ist.  

    Separieren

    Ein typisches Kuhsignal für die Öffnungsphase ist das
    Separieren von der Herde. 

    Fruchtblase

    Ein typisches Kuhsignal für die Öffnungsphase ist das
    Erscheinen der Fruchtblase, die die Geburtswege weitet. 

    3. Die Aufweitungsphase

    Die Aufweitungsphase dauert 1-3 Stunden.

    In dieser Phase platzt die Fruchtblase, das Tier legt sich hin, die Beine des Kalbes erscheinen in der Scham.

    Vom Blasensprung bis zum Durchtreten des Kopfs kann es bei Kühen 1-3, bei Rindern 4-6 Stunden dauern. Ist eine Kontinuität im Geburtsablauf ersichtlich, musst Du nicht eingreifen.

    Praxis-Tipp

    Grundsätzlich gilt: Rinder und Kühe können alleine gebären. Lasse ihnen Zeit und habe Geduld! Beobachte nur von Weitem das Geschehen. Reisse die Fruchtblasen nicht auf. Diese weiten nämlich die Geburtswege, was sehr wichtig ist. Habe wenn irgendmöglich auch nachts Geduld, obwohl Du wieder schlafen gehen möchtest…  

    Wenn es nicht mehr vorwärts geht, führe eine Kontrolle  ca. eine Stunde nach Abgang des Fruchtwassers durch. Arbeite dabei unbedingt hygienisch. Wie machst Du das?

    • Trage für eine Geburt saubere Kleidung, auch wenn diese dabei extrem schmutzig wird
    • Binde den Schwanz der Kuh nach vorne oder lasse ihn von jemandem halten
    • Wasche die Scham der Kuh gut  und spüle dieSeife ab, weil diese  die Schleimhäute reizt
    • Wasche Deine Hände und Arme bis zu den Schultern
    • Benutze Gleitgel

    Mit solchen Massnahmen kannst Du Deiner Kuh helfen, Gebärmutterentzündungen und nachfolgende Fruchtbarkeitsstörungen bei ihr zu vermieden.

    Was kannst Du beurteilen?

    • Sind die Geburtswege genug geweitet? Der Muttermund muss für eine erfolgreiche Geburt vollständig verstrichen sein. Du fühlst keine Falten mehr.
    • Wie gross ist das Kalb bezogen auf die Geburtswege? Gibt es Platz genug für eine normale Geburt? Kommt das Kalb durch das Becken der Kuh?
    • Lebt das Kalb? Klemme z. B. in eine Klaue oder in die Nase. Das löst meist einen Reflex aus. Kein Reflex bedeutet aber nicht unbedingt, dass das Kalb tot ist!
    • Lage: Kannst Du Vorder- oder Hinterbeine bzw. Kopf oder Schwanz ertasten?
    • Stellung: Liegt der Rücken vom Kalb zum Rücken der Mutter oben oder unten gegen die Bauchdecke? Liegt er unten, muss das Kalb für die Geburt gedreht werden.
    • Haltung: Haltung von Beinen und Kopf. Sind sie gestreckt oder gebeugt? Wenn gebeugt, in welchem Gelenk? Klauen, Sprunggelenk, Ellenbogen bzw. Knie? Wie stark ist der Hals gebogen?
    • Physiologischerweise liegt ein Kalb in Vorderendlage, oberer Stellung, gestreckter Haltung (95%) oder in Hinterendlage, oberer Stellung, gestreckter Haltung (5%).

    Ist alles normal bzw. eben physiologisch, warte ab! Bei Rindern dauert es jetzt immer noch gut und gerne 3-6 Stunden.

    Praxis-Tipp

    Gehe rund um eine Geburt wenn möglich immer gleich vor und zeige das Vorgehen auch Deinen Familienmitgliedern oder Angestellten im Stall, so dass es immer alle gleich machen und nichts vergessen geht in der möglichen Hektik einer Geburt.

    Vermeide die 3 häufigsten Fehler in der Geburtshilfe:

    • Zu früh
    • Zu schmutzig
    • Zu grob

    Beine

    In der Fruchtblase, die immer noch die Geburtswege weitet, sind die Beine sichtbar. 

    1-6 Stunden

    Ist alles normal, wird das Kalb in 1-6 Stunden geboren. 

    Lage

    So liegt das Kalb bei einer problemlosen Geburt in den Geburtsorganen. Vorderendlage, obere Stellung, gestreckte Haltung.

    Engstellen

    Die Pfeile weisen auf die möglichen Engstellen des Kalbes in den Geburtswegen hin.

    Geburtshilfe

    Geburtshilfe mit sauberen Ketten, in sauberem Stroh am liegenden Tier von nur einem Mann in sauberen Kleidern.

    4. Die Austreibungsphase

    Die Austreibungsphase dauert 3-15 min.

    Ist der Kopf sichtbar, dauert die Geburt normalerweise noch 3-15 Minuten.

    Greifst Du in dieser Phase unnötig ein, stresst Du einerseits das Tier und andererseits ist die Gefahr gross, dass Du Keime in die Gebärmutter schleppst, was oft eine Gebärmutterentzündung zur Folge hat. Link Ausfluss

    Deine Selbsteinschätzung – Deine eigenen Möglichkeiten und Grenzen kennen:

    Du musst selber beurteilen, ob Du eine Lage-, Stellungs- oder Haltungskorrektur am Kalb ohne Risiko für Kuh und Kalb vornehmen kannst.

    Häufige Herausforderungen, die Du bei einer Geburt antriffst:

    • Hinterendlage: Der Auszug des Kalbes muss schnell gehen, weil die Nabelschnur früher reisst oder gequetscht wird, so dass das Kalb nicht mehr mit Sauerstoff versorgt ist. Die Kälbersterblichkeit bei Hinterendlagen ist deshalb 3x höher als bei Vorderendlage. Du musst Dir Deiner Möglichkeiten und Grenzen also sehr sicher sein, bevor Du Geburtshilfe bei einer Hinterendlage leistest.

      Beratungsartikel (PDF)
      Rückwärts ins Leben 09/12

    • Stellung: Bei einer unteren Stellung muss das ganze Kalb in der Gebärmutter gedreht werden können, ohne die Gebärmutter mitzudrehen. Ansonsten kommt es zum Überwurf (Torsio uteri). Da musst Du genau wissen, in welche Richtung Du wie drehen musst, bevor Du überhaupt anfängst.
    • Haltung: Bei Haltungsanomalien musst Du darauf achten, dass Du weder mit den Klauen, noch bei einer Kopffehlhaltung mit den Zähnen die Gebärmutterschleimhaut verletzst, wenn Du die Haltung zu korrigieren versuchst.  
    • Enge Geburtswege: Handelt es sich um einen Überwurf oder kann noch zugewartet werden, damit sich die Geburtswege von selber weiten? Bei einem Überwurf kannst Du manchmal die Drehung in der Schleimhaut/in der Zervix fühlen.

      Beratungsartikel (PDF)
      Überwurf-Gefahr für Kuh und Kalb 03/06

    Praxis-Tipp

    Bist Du unsicher, rufe den Tierarzt/die Tierärztin lieber zu früh als zu spät, weil je nach Geburtsverlauf und Zustand von Mutter und Kalb die Zeit drängt!

    Auf jeden Fall musst Du den Tierarzt/die Tierärztin rufen, wenn

    • die Geburt länger als 1 Stunde stockt (Verdacht auf Überwurf oder zu grosse Frucht)
    • Du eine Fehllage, -stellung oder -haltung nicht korrigieren kannst
    • das Muttertier verletzt ist oder eine Wehenschwäche zeigt. 

    Hilfst Du Deiner Kuh selber bei der Geburt, dann mache das nur mit sauberen Hilfsmitteln (gewaschene Ketten oder ausgekochte Seile) und höchstens 2 Personen, die Zughilfe ausschliesslich während der Presswehen am liegenden Tier leisten. So wird das Kalb in den Wehenpausen weiterhin über die Nabelschnur mit Sauerstoff versorgt, was für sein Überleben ganz wichtig ist.

    Ziehe in folgende Zugrichtungen:

    • Parallel zur Wirbelsäule bis zum Austritt des Schultergürtels vom Kalb und zwar immer mit versetzter Zugrichtung an den Gliedmassen. Damit verschmälerst Du den Schulter- bzw. Beckengürtel des Kalbs und es gibt mehr Platz für den Durchtritt im Becken der Kuh
    • Danach ziehst Du für den Beckenaustritt des Kalbs dieses in Richtung Euter der Kuh
    • Ziehst Du zu stark oder in eine falsche Richtung, können sowohl bei Deiner Kuh (Nerven, Geburtsweg) als auch beim Kalb (Knochenbrüche) Verletzungen passieren
    • Vermeide, dass das Kalb bei einer Geburt im Stehen auf den Boden stürzt – womöglich noch auf die Kante eines Kurzstands. Rippenbrüche durch solche Stürze kommen bei neugeborenen Kälbern häufiger vor als man denkt. 

    Kopf

    Ist der Kopf sichtbar, dauert die Geburt noch einige Minuten.

    Grenzen

    Schätze Deine Möglichkeiten und Grenzen richtig ein und gefährde weder Kuh noch Kalb.

    Zughilfe

    Zughilfe bei Vorderendlage bis Schultergürtel paralell zur Wirbelsäule der Mutter, dann Richtung Euter ziehen.

    5. Nachgeburtsphase

    Nach einer erfolgreichen Geburt gilt: Zuerst das Kalb, dann die Kuh.

    Massnahmen beim Kalb:

    1.  Mit einer kräftige Massage am liegenden Tier mit viel sauberem Stroh kannst Du den Schleim etwas aus den Atemwegen ausstreichen. Ein Hochziehen des Kalbes an seinen Hinterbeinen belastet seinen Kreislauf stark und die Lunge wird zusammengedrückt. Deshalb wird heutzutage davon abgeraten.

    2. Ein Wasserguss stimuliert die Atmung. Aber nimm nicht zu viel, denn das kühlt das frischgeborene Kalb schnell stark aus. Kaltes Wasser solltest Du nur über den Kopf des Kalbs schütten.

    3. Die Atmung kannst Du auch durch Kneifen in die Nasenscheidewand oder schlimmstenfalls auch durch Mund-Nasen-Beatmung in Gang bringen. Hierbei ist es wichtig, dass Du Deine Luft durch ein Nasenloch des Kalbes bläst und dabei dem Kalb das 2. Nasenloch, wie auch das Maul zuhältst, damit Deine Atemluft effektiv in die Lunge des Kalbs gelangt.  

    4. Dein Tierarzt/Deine Tierärztin hat sowohl Medikamente zur Atemstimulation und kann bei Bedarf auch einen Einlauf machen, der eine Übersäuerung des Bluts durch den Sauerstoffmangel reduziert.

    5. Darf die Mutter ihr Kalb ablecken, stimuliert das dessen Lebensgeister. Es ist daher die beste und einfachste Methode.

    6. Und sehr wichtig ist die Versorgung mit Biestmilch bzw. Kolostrum: Versorge Dein frischgeborenes Kalb innerhalb 2 Stunden nach der Geburt mit gehaltvoller, körperwarmer Biestmilch. Es sollte ca. 2 Liter in dieser Zeit aufnehmen und dann innerhalb 4-8 Stunden nochmals 2 Liter. Das Kolostrum ist angereichert mit Abwehrstoffen, die für das Kalb lebenswichtig sind. Es hat diese Abwehrstoffe nicht über die Plazenta bzw. Gebärmutter erhalten, wie dies bei menschlichen Säuglingen der Fall ist.

    Praxis-Tipp

    Tränke das Kalb mit so vielen kleinen Portionen als vom Betriebsmanagement her möglich. Je kleiner, aber häufiger die Biestmilch- (und später die Milch-) portionen sind, desto besser kann diese das Kalb verwerten. Kälberkrankheiten wie Durchfall oder Pansentrinker, aber auch Kälbergrippe werden mit einer guten Versorgung stark reduziert, weil die Kälber genügend mit lebenswichtigen Abwehrstoffen versorgt werden.

    Atmung

    Um die Atmung zu stimulieren, reibe das Kalb mit viel sauberem Stroh kräftig ab.

     

    Ablecken

    Die beste Stimulation ist aber das Ablecken durch die Mutter.

    Biestmilch

    Tränke das Kalb schnellst möglich mit bis zu 2 Litern warmer Biestmilch.

    Wasser

    1-2 Kübel lauwarmes Wasser nach der Geburt schätzt die Kuh sehr und es steigert gleichzeitig ihr Aufnahmevermögen. 

    Versorgung der Kuh

    Nach der Erstversorgung des Kalbes kontrollierst Du die Kuh mit sauberen Armen am gewaschenen Genitalbereich auf allfällige Geburtsverletzungen und stellst sicher, dass sich kein 2. Kalb in der Gebärmutter befindet. Gib Deiner  Kuh nach erfolgreicher Geburt immer einen Kübel laufwarmen Wassers. Das stillt ihren Durst und vergrössert das vor der Geburt verkleinerte  Pansenvolumen. Damit steigerst Du ihr Fressvermögen.  Mag die Kuh nicht trinken, ist das für Dich ein Alarmzeichen, dass etwas mit ihr nicht in Ordnung sein könnte. Behalte dann die Kuh besonders gut im Auge und kontrolliere ihre Körpertemperatur durch regelmässiges Fiebermessen.