Das Verhältnis von Eiweiss : Harnstoff – Die Neun-Felder-Grafik
Das Verhältnis von Eiweiss : Harnstoff in der Milch gibt Dir wichtige Hinweise bei der Fehleranalyse Deiner Fütterung. Es zeigt dir an, wie gut deine Tiere energetisch versorgt sind und ob die Eiweissversorgung ihres Pansens ausgewogen ist.
Eiweissgehalt und schlechte Energieversorgung
Tiefe Eiweissgehalte (< 3.00 %) zeigen, dass die Energieversorgung im Pansen und somit auch diejenige der Kuh ungenügend ist.
Eiweissgehalt und zu gute Energieversorgung
Hohe Eiweissgehalte (> 3.80 %) zeigen, dass die Lebensbedingungen im Pansen für die Mikroben extrem gut sind. Anders gesagt: Bei länger anhaltenden sehr hohen Eiweissgehalten ist das Risiko gross, dass die Fütterung zu energiereich bzw. die Nährstoffversorgung zu hoch ist. Deine Tiere verfetten.
Harnstoffgehalt und schlechte Proteinversorgung
Ein Harnstoffgehalt von weniger als 15 mg/dl weist auf einen Mangel an Rohprotein, resp. an pansenabbaubarem Protein (APDN) hin. Weil das Protein für die Pansenmikroben limitiert ist, können sie ihr Wachstumspotential nicht voll ausschöpfen.
Der maximal mögliche Futterverzehr und die optimale Futterverwertung werden nicht voll erreicht.
Harnstoffgehalt und zu gute Proteinversorgung
Ein hoher Harnstoffgehalte in der Milch (> 27 mg/dl) zeigt an, dass im Pansen deutlich mehr Ammoniak anfällt als die Pansenmikroben aufnehmen und der eigenen Proteinsynthese zuführen können. Das kann zwei Gründe haben: Entweder gibt es im Pansen zu viel pansenlösliches Protein (APDN) - der häufigste Grund - oder zu wenig pansenverfügbare Energie (APDE).
Achtung:
In der Schweiz sind seit dem Frühjahr 2023 neue Grenzwerte definiert: Der optimale Bereich für den Harnstoffgehalt der Milch erstreckt sich neu zwischen 15 und 27 mg/dl. Unsere abgebildeten Fallbeispiele sind daher veraltet - ihre Interpretation aber ist nach wie vor korrekt.
Eiweiss tief (< 3.00 %) – Harnstoff tief (< 15 mg/dl): Rohprotein- und Energiemanko
Sind viele Tiere im Feld „links-unten“, heisst das: Es ist zu wenig pansenabbaubares Protein (APDN) in der Ration und es herrscht eine schlechte Energieversorgung (wegen ungenügender Energiedichte der Ration oder wegen schlechtem TS-Verzehr.
Oft läuft folgender Teufelskreis: Ein Mangel an pansenabbaubarem Protein (APDN) führt zu einer verminderten Pansenfermentierung. Dadurch wird das Leistungspotential des Pansens nicht voll ausgeschöpft. Startphasekühe fressen deshalb weniger als sie könnten. Sie mobilisieren Körperfett um dies zu kompensieren. Schleichende Stoffwechselprobleme mit noch schlechterer Futteraufnahme und Fruchtbarkeitsstörungen wie Azyklie und Zysten sind die Folgen.
Korrekturvorschläge:
- Proteinkonzentrat mit viel APDN zufüttern oder steigern.
- Energiedichte der Ration mit dem Futterplan überprüfen und die Ergänzungsfütterung den Milchleistungen anpassen.
- Die Grundsätze der Kraftfutterverteilung einhalten.
- Proteinhaltige Grundfutter (Grassilage, Treber etc.) steigern.
Eiweiss normal (3.00 % - 3.80 %) – Harnstoff tief (< 15 mg / dl) – Rohproteinmanko
Sind viele Tiere im Feld „links-Mitte“, heisst das: Es gibt einen Mangel an Rohprotein, resp. an pansenabbaubarem Protein (APDN). Das führt zu einer verminderten Pansenfermentierung. Die Kuh kann das Leistungspotential ihres Pansens nicht voll ausschöpfen. Die Energieversorgung entspricht aber ihrem Leistungsniveau. Trotzdem besteht das Risiko von Milchleistungseinbrüchen und unterdurchschnittlichen Wägepersistenzen. Deine Tiere neigen dazu, schneller zu verfetten.
Korrekturvorschläge:
- Proteinkonzentrat mit –viel APDN zufüttern oder steigern.
- Proteinhaltiges Grundfutter (Grassilage, Treber etc.) einsetzen.
- Die Ration trotzdem dem Leistungsniveau der Kühe entsprechend berechnen
Eiweiss hoch (>3.60 %) – Harnstoff tief (< 15 mg/dl) – Energieüberschuss und Rohproteinmanko
Sind viele Tiere im Feld „links-oben“, heisst das: Es gibt einen Mangel an Rohprotein, resp. an pansenabbaubarem Protein (APDN). Gleichzeitig ist die Energieversorgung zu hoch. Es besteht trotzt der hohen Energiezufuhr das Risiko von Milchleistungseinbrüchen und unterdurchschnittlichen Wägepersistenzen. In solchen Situationen verfetten deine Kühe sehr schnell.
Korrekturvorschläge:
- Proteinkonzentrat mit –viel APDN zufüttern oder steigern.
- Proteinhaltiges Grundfutter (Grassilage, Treber etc.) einsetzen.
- Die Energiedichte der Ration reduzieren. Insbesondere sehr energiedichte Komponenten wie Mais, Maissilage, Zuckerrübenschnitzel etc. absetzen oder reduzieren
- Getreidemischungen (Kraftfutter) reduzieren oder absetzen
- Die Ration dem Leistungsniveau der Kühe entsprechend berechnen
Eiweiss tief (< 3.00 %) – Harnstoff normal (15 – 27 mg/dl) – Unterfütterung
Sind viele Tiere im Feld „Mitte-unten“, heisst das: Die Ration ist zwar zwischen Energie und Rohprotein ausgeglichen, die Energieversorgung aber insgesamt ungenügend – die Energiedichte der Ration ist zu dünn oder sie wird zu schlecht gefressen, weil frischmelkende Kühe z.B. verfettet sind oder an einer Stoffwechselstörung leiden. Sie kompensieren dies, indem sie Fettreserven mobilisieren. Dadurch erkranken sie schleichend an einer Ketose. Ihre Fruchtbarkeit leidet: Typische Folgen sind Azyklie, stille Brunst oder Zysten.
Korrekturvorschläge:
- Wöchentliche Überwachung der Startphasekühe über Ketose-Tests
- Die Ration mit dem Futterplan abgleichen und der Milchleistung anpassen.
- Das Fütterungsmanagement überprüfen und verzehrsfördernde Massnahmen umsetzen.
Eiweiss normal (3.00 - 3.60 %) – Harnstoff normal (15 – 27 mg/dl) – ausgeglichene Ration
Sind viele Tiere im Feld „Mitte“, heisst das: Deine Fütterung ist ausgeglichen, die Tiere sind energetisch gut versorgt und auch das Verhältnis zwischen Energie und Protein stimmt gut.
Es sind keine Korrekturen notwendig.
Eiweiss hoch (> 3.80 %) – Harnstoff normal (15 – 27 mg/dl) – Nährstoff-Überschuss
Sind viele Tiere im Feld „Mitte-oben“, heisst das: Die Fütterung ist zu energiereich, resp. die Nährstoffversorgung zu hoch. Bei länger anhaltender Überversorgung verfetten vor allem Produktionsphase- und Altmelkkühe. Sind die Eiweissgehalte der Startphasetiere vermehrt unter 3.00 % und die Eiweissgehalte der Altmelkkühe vermehrt über 3.80 % besteht das Risiko, dass Deine Tiere am Anfang der Laktation zu stark abmagern und gegen Ende Laktation verfetten. Der Aufbau von Körperfettreserven erfolgt schleichend und wird deshalb oft zu spät festgestellt. Zur genauen Überwachung der Körperkondition eignet sich der BCS (Body Condition Score).
Korrekturvorschläge:
- Die tatsächliche Ration mit dem Futterplan abgleichen
- Nährstoffdichte senken: Ration mit Heu verdünnen
- Energie- und proteinreiches Grundfutter (z.B. Futterrüben, Maissilage, Grassilage, Emd) reduzieren
- Ergänzungsfütterung reduzieren oder absetzen
Eiweiss tief (< 3.00 %) – Harnstoff hoch (> 27 mg / dl) – Energiemanko
Sind viele Tiere im Feld „rechts-unten“, heisst das: Überschuss an Rohprotein und schlechte Energieversorgung (zu dünne Energiedichte der Ration ist oder schlechter Futterverzehr). Die Leber wandelt überschüssiges Rohprotein in Harnstoff um. Gleichzeitig muss sie Körperfett mobilisieren, um das Energiemanko aufzufüllen. Leber und Stoffwechsel dieser Kühe sind also stark belastet - je länger der Zustand anhält umso mehr.
Korrekturvorschläge:
- Die Ration mit dem Futterplan überprüfen und allenfalls der Milchleistung anpassen.
- Proteinkonzentrat reduzieren oder absetzen und durch Getreidemischung oder Leistungsfutter ersetzen.
- Proteinhaltige Grundfutter (Grassilage, Treber, klee- oder leguminosehaltiges Gras etc.) reduzieren und Anteil ausgewogener (Heu) und energiereicher Grundfutter (Maissilage)steigern
- Startphasekühe wöchentlich mit Ketosetests überwachen.
- Das Fütterungsmanagement überprüfen und verzehrsfördernde Massnahmen umsetzen.
Eiweiss normal (3.00 – 3.80 %) – Harnstoff hoch (> 27 mg / dl) – Proteinüberschuss
Sind viele Tiere im Feld „rechts-Mitte“, heisst das: Es muss überschüssiges Rohprotein von der Leber umgewandelt werden. Dies belastet sie – je höher der Überschuss und je länger er anhält, umso stärker. Ein längerdauernder Rohproteinüberschuss kann die Gebärmutter stark reizen und damit zu Fruchtbarkeitsproblemen führen.
Korrekturvorschläge:
- Tatsächliche Ration mit Futterplan abgleichen
- Proteinkonzentrat reduzieren / absetzen und durch Getreidemischung oder Leistungsfutter ersetzen.
- Proteinhaltiges Grundfutter (Grassilage, Treber, stark klee- oder leguminosehaltiges Gras etc.) reduzieren und Anteil ausgewogener (Heu) und energiereicher Grundfutter (Maissilage) steigern.
- stark klee- oder leguminosehaltigen Rationen mit ausgewogener (Heu) oder energiereichem (Maissilage) Grundfutter ausgleichen.
Eiweiss hoch ( > 3.80 %) – Harnstoff hoch (>27 mg / dl) -
Sind viele Tiere im Feld „rechts-oben“, heisst das: Unausgewogene Ration zwischen Energie und Rohprotein hin, die insgesamt (NEL und APDN) zu nährstoffreich ist. Leber und Stoffwechsel sind belastet, weil sie viel Ammoniak zu Harnstoff entgiften muss. Hoher Harnstoff reizt die Gebärmutterschleimhaut. Die Kühe rindern um oder bekommen eitrigen Ausfluss. Die überschüssige Energie lagern die Kühe als Fettreserven ein. Sie sind Risikokandidatinnen für Geburts- und Stoffwechselprobleme.
Korrekturvorschläge:
- Tatsächliche Ration mit Futterplan abgleichen
- Ergänzungsfütterung dem Leistungsniveau anpassen.
- Proteinkonzentrat reduzieren oder absetzen.
- Proteinhaltiges Grundfutter (Grassilage, Treber, stark klee- oder leguminosehaltiges Gras etc.) reduzieren und Anteil ausgewogener (Heu) und energiereicher Grundfutter (Maissilage) steigern.
- stark klee- oder leguminosehaltigen Rationen mit ausgewogener (Heu) oder energiereichem (Maissilage) Grundfutter ausgleichen.