Der Harnstoff und die Eiweissversorgung
Harnstoff und Bedingungen im Pansen
Der Harnstoffgehalt der Milch spiegelt die Eiweissversorgung (Rohprotein) der Mikroben im Pansen und somit auch die der Kuh wider.
Er lässt direkte Rückschlüsse über die Umbauvorgänge im Pansen zu.
Leber entgiftet Ammoniak
Ein kleinerer Teil des entstehenden Ammoniaks gelangt durch die Pansenwand ins Blut.
Ammoniak selbst ist sehr giftig.
Damit sich die Kuh nicht vergiftet, wird das Ammoniak in der Leber zu Harnstoff umgebaut und hauptsächlich über den Harn ausgeschieden.
Beim Transport von der Leber zur Niere bleibt der Harnstoff in allen stark durchbluteten Organen, also auch im Euter, hängen und wird dort ausgeschieden.
Gute Lebensbedingungen im Pansen
Liegen die Harnstoffwerte der Herde zwischen 15 - 27 mg/dl Milch, zeigt dies hinsichtlich der Proteinversorgung eine ausgewogene Fütterung an – die Lebensbedingungen der Pansenmikroben sind ideal.
Je mehr Kühe mit ihrem Harnstofffwert ausserhalb dieser Grenzen liegen, umso unausgewogener ist die Ration. Es liegen Fehler in der Fütterung vor!
Monatliche Kontrolle
Weil der Proteingehalt im Grundfutter je nach Witterung während des Pflanzenwachstums und bei der Ernte schwankt, solltest Du den Harnstoffgehalt in der Milch regelmässig (mindestens monatlich) kontrollieren – auch wenn Du ganzjährig Silage oder TMR verfütterst.
Was im Vormonat noch perfekt war, kann rasch nicht mehr passen. Der Zielbereich zwischen 15 - 27 mg/l stellt dabei eine gute Kenngrösse dar.
Laktationsgruppen vergleichen
Aufgrund der Genauigkeit der Harnstoffmessungen in der Milch müssen aber gewisse Grundregeln eingehalten werden:
- Du darfst die Die Analyse nicht auf ein Einzeltier beziehen.
- Du musst die Stoffwechsellage in der Herde nach Laktationsabschnitten beurteilen.
- Du vergleichst deshalb sämtliche Tiere innerhalb eines Laktationsabschnittts als Gruppe.
Ursachen tiefer Harnstoff
Wenn im Pansen zu wenig Rohprotein bzw. APDN ankommt, fällt auch nur wenig Ammoniak an, der zu Harnstoff entgiftet wird.
Die Pansenmikroben sind unterfüttert, die Verdauung im Pansen stockt. Die Kuh verwertet das Futter nur schlecht, was in Stoffwechselproblemen in der Startphase enden kann.
Tiefer Harnstoff, was tun? – Praxis-Tipp
- Überprüfe auch das Harnstoff-Eiweiss-Verhältnis
- Überprüfe die Zusammensetzung Deiner Ration. Wieso ist sie nicht ausgeglichen?
- Setze mehr Proteinträger im Grundfutter ein: z.B. Grassilage oder Treber
- Ändere oder steigere Deine Ergänzungsfütterung: Das Proteinkonzentrat braucht ein weiteres APDE/APDN-Verhältnis, resp. viel APDN
Folgen des Rohproteinmangels
Bei längerer Unterversorgung mit pansenabbaubarem Protein (APDN)
- bricht die Milchleistung ein
- ist die Wägepersistenz schlecht
- bekommt die Kuh Stoffwechselprobleme, da der Pansen nicht rund läuft.
Hoher Harnstoff im Herbst
Typisch sind hohe Harnstoffgehalte bei der Verfütterung von proteinreichem aber energiearmem Herbstgras.
Weidebetriebe oder Betriebe mit grasbetonter Fütterung, müssen deshalb im Spätsommer / Herbst den Harnstoffgehalt gut im Auge behalten und gegensteuern. Das ist insbesondere dann ganz wichtig, wenn Du in dieser Zeit viele Tiere hast, die du besamen möchtest.
Hoher Harnstoff, was tun? – Praxis-Tipp
Oft ist es schwierig hohe Harnstoffwerte zu ändern. Insbesondere, wenn die Ration nur proteinreiche Komponenten enthält oder im Herbst möglichst viel Gras verfüttert werden soll.
- Überprüfe auch die anderen Milchinhaltstoffe, das Harnstoff-Eiweiss-Verhältnis oder die 6-Felder-Tafel FEQ : Harnstoff
- Mit energiereichen Futtermittel wie Mais oder Getreidemischungen kannst Du die Situation zumindest bei Deinen Startphasekühen entschärfen.
Folgen des Proteinüberschuss
Ist der Harnstoffgehalt in der Milch zu hoch, folgen
- Symptomloses Umrindern, embryonaler Frühtod
- eitriger Ausfluss
- Störungen der Leberfunktion, die durch die Entgiftung des Ammoniaks stark belastet ist.
- Infektionen (z.B. Euterentzündungen, Panaritien, Mortellaro), da das Immunsystems bei gestörter Leberfunktion schwach ist.
- Belastung des Stoffwechsels durch die energieaufwändige Entgiftung.
Direkte Auswirkungen auf Embryo
Bei Proteinüberschuss in der Ration ist auch im Scheidensekret, im Brunstschleim, und in der Follikelflüssigkeit rund um die Eizelle ist der Harnstoffgehalt erhöht. Insbesondere sinken durch den Harnstoff auch der pH-Wert und die Mineralstoff-Konzentrationen im Nährschleim der Gebärmutter. Das erschwert einem Embryo das Anwachsen in der frühen Trächtigkeit. Auch die Synthese des Trächtigkeitshormons Progesteron wird gebremst und die von Prostaglandin stimuliert.
In der Folge all dieser Phänomene rindern Kühe mit hohen Harnstoffwerten oft symptomlos um.
Ausnahmefall: Ammoniakvergiftung
In seltenen Fällen nehmen Tiere grosse Mengen Stickstoff- oder Ammoniumverbindungen aufs Mal auf, z.B. bei nicht sachgerechtem Einsatz von Futterharnstoff oder erst kürzlich kopfgedüngtem Grünfutter. Ihre Leber kommt dann mit der Entgiftung der hohen Ammoniak-Mengen, die daraufhin im Pansen entstehen, nicht nach. Die Tiere krampfen, zittern und speicheln bereits eine halbe Stunde später. Auch Kühe mit Leberversagen, bei denen die Ammoniak-Entgiftung nicht mehr funktioniert, können solche Vergiftungserscheinungen zeigen.
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