Der Stier in der Besamung
Welchen Werdegang hat ein Stier, mit dem für die künstliche Besamung Samen produziert wird?
Welche Bedingungen muss er erfüllen?
Es braucht auf vielen Stufen KnowHow, damit eine Besamungsorganisation wertvolles, sicheres und befruchtungsfähiges Tiefgefriersperma von einem Stier produzieren kann.
Auf dieser Seite erklären Experten von Swissgenetics wie sie arbeiten: "So geht's bei Swissgenetics!"
Bedürfnisse der Landwirte
Je nach Ausrichtung ihres Betriebs wählen Landwirte die Stiere im Angebot einer Besamungsorganisation aus.
Die Stiere und ihre genetischen Eigenschaften müssen zum jeweiligen Betriebsziel passen, damit sich die Herde züchterisch in die richtige Richtung entwickeln lässt.
Die Erwartungen der Kunden können sich von Zeit zu Zeit ändern.
So geht’s bei Swissgenetics
Sire-Analyst Marc-Henri Guillaume berichtet:
«Die allerersten Schritte in der Genetikentwicklung sind strategische Überlegungen.
Wir richten uns dabei nach den Bedürfnissen der Landwirte: Welchen Stier brauchen und möchten unsere Kunden? Denn sie sind unser Markt».
Gemeinsame strategische Entscheide
Die züchterische Auswahl der Besamungsstiere ist in der Schweiz nicht die alleinige Verantwortung der Besamungsorganisation.
Die strategischen Entscheide hierfür trifft der Fachausschuss Genetik (FAG) jeder Rasse.
Diese Gremien setzen sich aus Vertretern von Swissgenetics und des jeweiligen Zuchtverbands zusammen.
So geht’s bei Swissgenetics
Marc-Henri Guillaume sagt zur Rolle der FAGs:
«Eine wichtige strategische Entscheidung des jeweiligen Fachausschusses ist zum Beispiel: Welche Stiere als Stierenväter eingesetzt werden sollen.
Wir sitzen dafür mehrmals jährlich gemeinsam an einen Tisch – immer wenn die Zuchtwertschätzung publiziert wird».
Die Stierenmutter
Konkret beginnt die Karriere eines Besamungsstiers in den meisten Fällen bereits mit der Selektion seiner Mutter - und einem passenden Anpaarungsvorschlag eines Sire-Analysten.
Die Grundlagen für die Auswahl der geeigneten Kühe als Stierenmütter sind die Zuchtwerttabellen der Zuchtverbände.
So geht’s bei Swissgenetics
Marc-Henri sagt zur Auswahl der Stierenmütter:
«Unter den 2% besten Kühen nach Gesamtzuchtwert suchen wir die, welche alle Kriterien einer Stierenmutter erfüllen.
Nach jeder Zuchtwertschätzung schauen wir rund 50 Kühe genauer an. Aus diesen bestimmen wir zwischen drei und fünf neue Vertragskühe».
Anpaarungsvorschlag
Die Sire-Analysten schlagen den Besitzern einen aktuellen Stierenvater für die Anpaarung ihrer Kühe vor.
Dazu nutzen sie moderne Hilfsmittel, wie Anpaarungsprogramme, in denen die Zuchtwerte von Kuh und Stier «verrechnet» werden.
So geht’s bei Swissgenetics
Marc-Henri zeigt dem Züchter die Stierenväter:
«Ist die Kuh noch leer, wählen wir gemeinsam den passenden Stier. Dazu mache ich eine virtuelle Anpaarung - in meinem Fall auf holstein.ch.
Wird aus meinem Vorschlag ein Kuhkalb geboren, sollte dies später auch vorne in den Zuchtwertlisten auftauchen».
Die Geburt des Stiers
Wird aus dem Anpaarungsvorschlag eines Sire-Analysten schliesslich ein Stierkalb geboren, gibt der Züchter Bescheid.
Wenn die Geburtsmeldung zeitnah geschieht, können weitere Abklärungen frühzeitig beginnen, z.B. die genomische Analyse und bei den Hauptrassen die Gen-Tests auf Erbfehler.
So geht’s bei Swissgenetics
Sire-Analyst Ruedi Meier erklärt den Ablauf:
«Wenn die Ergebnisse der Genomanalyse und der Gentests unseren Erwartungen entsprechen, schauen wir uns das Kalb persönlich an.
Da alle diese Abklärungen dauern, sind die Stiere in der Regel drei bis fünf Monate alt, bis sie schliesslich zu uns zügeln können».
Genomische Probe
Schon kurz nach der Geburt wird dem Kalb eine Probe für die genomische Untersuchung entnommen.
Bei der genomischen Selektion werden anhand tausender Genmarker (SNPs) die Zuchtwerte geschätzt. Genomische Zuchtwerte haben bei Kälbern eine höhere Sicherheit als die traditionellen Abstammungs-Zuchtwerte.
So geht’s bei Swissgenetics
Sire-Analyst Andreas Bigler sagt zur Genom-Probe:
«Meist nimmt man für die Probe Haare aus der Schwanzspitze. Rund 10% der Betriebe haben spezielle Ohrmarken. Sie stanzen mit ihnen die Proben aus dem Ohrknorpel der Kälber. Das sind Betriebe, die auch alle ihre weiblichen Kälber genomisch untersuchen lassen.»
Unsere Empfehlung
Die Qualitas AG, Zug, hat eine Arbeitsanleitung für die Entnahme einer Haarprobe für die genomische Selektion erstellt.
Gentests auf Erbfehler
Alle Krankheiten, die genetisch weitergegeben werden können, sind zuchthygienisch relevant.
Immer mehr solche Erbfehler können v.a. bei den Hauptrassen in Gen-Markertests nachgewiesen werden.
Erbfehler-tragende Stiere werden nicht von Besamungsstationen angekauft. Daher hat man die bekannten Anomalien heute weitestgehend im Griff.
So geht’s bei Swissgenetics
Ruedi Meier betont diesbezüglich:
«Vor zwanzig Jahren hatten wir noch Probleme, dass sich Erbfehler über Besamungsstiere in der Population verbreiteten.
Dann wurden die Gen-Markertests entwickelt. Bei den Hauptrassen wird kein Stier mehr ohne die Tests auf Erbfehler angekauft».
Unsere Empfehlung
Auf den Webseiten der Schweizer Zuchtverbände findest Du weitere Informationen zu den rassespezifischen Gen-Marker-Tests
Angeborene Anomalien
Leider gibt es solche Gentests-Tests nicht für alle vererblichen Defekte - wenn nämlich die zu Grunde liegende Genmutation oder ihr Vererbungsmuster noch unbekannt sind.
Viele Anomalien kann man jedoch direkt am Tier erkennen. Eine solche schliesst einen Stier von der Samenproduktion aus. Er wird nicht von der Besamungsorganisation angekauft.
So geht’s bei Swissgenetics
Ruedi Meier erläutert, worauf man beim Ankauf achtet:
«Bereits beim ersten Besuch auf dem Zuchtbetrieb achten wir auf unübersehbare Mängel am Stier: Kälber mit Zusatzzitzen, einem offensichtlichen Nabelbruch sowie Stiere mit einem verkürzten Unterkiefer oder nur einem Hoden fallen sofort raus».
Zuchthygienische Untersuchung
Kurz nach der Verstellung an die Aufzuchtstation findet schliesslich eine gründliche klinische Untersuchung der Stiere auf mögliche ererbte Anomalien durch eine Stationstierärztin statt.
Gibt es Hinweise auf eine Erkrankung mit genetischem Hintergrund, wird der Stier von der Samenproduktion ausgeschlossen.
So geht’s bei Swissgenetics
Dr. Ueli Witschi, ehem. Bereichsleiter Produktion, sagt:
«Wir haben bei Swissgenetics ein Zuchthygienekonzept erstellt, in dem alle Anomalien festgehalten sind, die zum Ausschluss von der KB führen.
Es soll sicherstellen, dass keine genetisch vorbelasteten Kälber aus Anpaarungen mit unseren Stieren geboren werden».
Die häufigsten Anomalien
Durch eine gründliche, klinische Untersuchung entdeckt die Stationstierärztin ab und zu eine Missbildung an einem Kalb.
Zum Glück ist diese Situation alles in allem selten.
Sie untersucht jeden Stier auf:
Missbildungen am Herz
Das Abhören der Herztöne kann Hinweise auf einen angeborenen Herzfehler geben. Die häufigste Missbildung am Kälberherz ist ein Loch in der Herzscheidewand (Ventrikelseptumdefekt)
Missbildungen am Nabel
Der Erbgang eines Nabelbruchs ist noch ungeklärt. Man vermutet jedoch, eine dominante Vererbung. Daher wird auf eine Bruchpforte und auch auf Entzündungen am Nabel speziell geachtet.
Den Stier im Blick – Die Eintrittsuntersuchung der Stierkälber
Du möchtest wissen, wie die angekauften Stiere untersucht werden? Unser Video zeigt Dir, was die Stationstierärztin bei der Eintrittsuntersuchung überprüft: Gibt es Gründe, die gegen einen späteren Einsatz in der Besamung sprechen?
In der Toro-Serie «Den Stier im Blick» stehen die Stiere in der Besamung im Fokus. In jeder Folge ein anderer.
Folge 1 handelt von der Quarantäne und der Eintrittsuntersuchung der Kälber auf der Aufzuchtstation Langnau und berichtet über unser Zuchthygienekonzept: «Keine Erbfehler bei TERRY», Toro (01/2021, pdf).
Seuchenhygienische Quarantäne
Alle Besamungsstationen unterliegen einer strengen staatlichen Tierseuchenüberwachung.
Denn viele Krankheitserreger könnten über Sperma und Samenpailletten verbreitet werden. Um dies zu verhindern, brauchen die Stiere einen SPF-Status (spezifisch-pathogen-frei).
Die EU-Richtlinie EU88/407/EWG regelt dies.
So geht’s bei Swissgenetics
Stationstierärztin Dr. Carina Oschlies erklärt:
«Jedes Kalb wird bereits auf seinem Herkunftsbetrieb auf alle gängigen Tierseuchen untersucht. Trotzdem ist eine Quarantäne nach der Verstellung zu uns zwingend. Sie schützt die anderen Stiere vor eingeschleppten Keimen».
Die sanitarische Untersuchungen beim Eintritt des Stiers
Selektion nach dem Exterieur
Damit ein Stier ins Herdbuch aufgenommen wird, muss er vom entsprechenden Zuchtverband anerkannt sein.
Zum Abschluss der Aufzucht werden daher alle Stiere von den Experten der Verbände beurteilt (Körung 1). Ziel ist es, nur die wertvollsten Jungstiere in die Samenproduktion zu nehmen.
So geht’s bei Swissgenetics
Sire Analyst Ruedi Meier sagt zur Körung:
«Im Alter von rund einem Jahr werden die aktuellen Zuchtwerte der Stiere nochmals überprüft. Bei der Körung werden sie von den Zuchtverbänden selektioniert.».
Die Stierenhaltung auf den Stationen
Die Ställe für die Stiere
Hohes Tierwohl in verhaltens- und artgerechten Ställen für die Stiere ist eine Grundvoraussetzung für eine gute Samenproduktion.
Stress aller Art würde sich negativ auf die Samenqualität auswirken.
So geht’s bei Swissgenetics
Dr. Josef Kneubühler, Teamleiter Tierhaltung, sagt:
«Um den Stress möglichst tief zu halten, werden unsere Stiere grundsätzlich möglichst wenig verstellt oder umgestallt.
Ihre Haltung und Betreuung ist konsistent in allen Tierhaltungsbereichen».
Freilaufhaltung
Die artgerechteste Haltungsform ist die die Freilaufhaltung in der Gruppe.
In der Aufzucht und in der Wartehaltung steht deshalb dieses System im Vordergrund.
Bei Stieren, mit denen täglich gearbeitet wird, ist die Doppel- oder Einzelaufstallung geeigneter.
So geht’s bei Swissgenetics
Dr. Josef Kneubühler, Teamleiter Tierhaltung, sagt:
«Stiere mit gesundheitlichen Problemen oder in instabilen Gruppen werden auf allen Stationen in Einzelboxen genommen, um sie dem Stress durch Streitereien mit ihren Boxen-Partner zu entziehen. Sie können dort individuell betreut werden».
Stierenhaltung bei Swissgenetics
Hier geben wir Dir einen Einblick in unsere Stallungen.
Alle Boxen für die Stiere bei Swissgenetics sind in gleicher Bauweise strukturiert:
Es sind Mehrflächenboxen mit einem Fress- und Bewegungsbereich auf Gummimatten und einer eingestreuten Liegefläche.
Die Stierenhaltung auf der Aufzuchtstation
Stierenhaltung während der Samenproduktion
Arbeitssicherheit
Produktionsstiere müssen handzahm sein.
Trotzdem kann der tägliche Umgang mit grossen Stieren auch gefährlich werden.
Es passieren leider immer wieder Arbeitsunfälle – vor allem mit Stieren in privater Hand, aber auch in der Samenproduktion.
Die Sicherheit der Stierenpfleger hat auf Besamungsstationen hohe Priorität.
Video
Dieses Video wurde beim Einzug in die neuen Stallgebäude in Mülligen aufgenommen. Es zeigt auch das Boxendesign und die Mechanisierung im Stall.
Auch auf anderen europäischen Besamungstationen werden Stiere nach diesen neuesten tierfreundlichen Standards gehalten – wie Beispiele aus Deutschland oder den Niederlanden zeigen.
Seuchenprävention
Sanitarische Sicherheit
Die Stallungen auf Besamungsstationen sind nicht für den Publikumsverkehr zugänglich.
Das Risiko eines Eintrags von Keimen und Seuchenerregern wäre viel zu hoch.
Personen, die den Stall betreten dürfen, müssen eine Karenz von 72 Stunden einhalten, duschen und betriebseigene Kleidung benutzen.
So geht’s bei Swissgenetics
Josef Kneubühler, Teamleiter Tierhaltung, sagt:
Besucher sind in Mülligen nach Anmeldung trotzdem willkommen.
Bei einem Stationsrundgang kann man auch von ausserhalb einen guten Einblick in unsere Stierenhaltung und Samenproduktion gewinnen.
Die Stierenfütterung
Die Stierenfütterung auf der Aufzuchtstation
Eine raufutterbetonte Fütterung lässt Stiere harmonisch wachsen und sich nachhaltig entwickeln.
Eine wichtige Voraussetzung für beste Samenqualität und Fitness bis ins hohe Alter.
So geht’s bei Swissgenetics
Stefan Buri, verantwortlicher Agronom für die Rationsberechnung, erklärt:
«Unsere Jungstiere sollen ihr Wachstumspotential ausschöpfen und sich harmonisch entwickeln.
Deshalb füttern wir ihnen eine intensive, aber raufutterbetonte Ration».
Die Stierenfütterung in der Samenproduktion
Die Ration für die Produktionsstiere soll ihre Zuchtkondition und ihre Gesundheit erhalten. Andererseits muss sie aber auch sättigen und Beschäftigung bieten.
Alle auf den Stationen eingesetzten Futtermittel sind mikrobiologisch top und haben eine gute Strukturwirkung.
Über BCS und die Tageszunahmen kontrolliert man regelmässig, ob die Rationen wirken, wie sie geplant sind.
So geht’s bei Swissgenetics
Stefan Bühler, landwirtschaftlicher Betriebsleiter in Mülligen, erzählt:
«Wir führen die Stiere morgens über den Futtergang zur Sprunghalle und wieder zurück.
Es ist hygienischer, wenn der Futtertisch dann mehr oder weniger leer ist.
Deshalb gibt es frisches Futter erst, wenn sie wieder zurück sind».
Den Stier im Blick - Die Stierenfütterung bei Swissgenetics
In Mülligen gibt es dem Alter und den Bedürfnissen der Stiere entsprechend drei verschiedene Mischungen, die vormittags vorgelegt werden und die bis zum nächsten Morgen gefressen sind.
In der Früh gibt es für alle Stiere zusätzlich etwas Heu zur Beschäftigung.
Dass alle Stiere rund um die Uhr Futter vorliegen haben, verhindert Futterstress und sorgt für Beschäftigung und eine gute Pansenverdauung.
Wie die Fütterung abläuft, zeigt unser Video.
In der Toro-Serie «Den Stier im Blick» stehen die Stiere in der Besamung im Fokus. In jeder Folge ein anderer.
Folge 2 handelt von der Fütterung in Mülligen und den Grundsätzen, die hierbei umgesetzt werden.
Lies mehr im pdf von «JABBO SG-ET frisst gern» (Toro 02/2021).
Die Wartehaltung
Warten aufs Ergebnis
Auf der Wartehaltungsstation von Swissgenetics in Bütschwil stehen momentan rund 200 Stiere, die nach der ersten Samenproduktion auf das Ergebnis der Nachzuchtprüfung warten.
Bei positivem Zuchtentscheid werden sie nach ca. 4 Jahren wieder zurück in die Samenproduktion verstellt.
So geht’s bei Swissgenetics
Dr. Ueli Witschi, Bereichsleiter Produktion, sagt bezüglich der Wartehaltung:
Durch den steigenden Marktanteil genomisch geprüfter Jungstiere und den erweiterten Stallkapazitäten durch den Neubau in Mülligen wird die Zahl der Wartestiere in den nächsten Jahren abnehmen.