Frischmelker sind anfällig
Kühe gleich nach der Geburt sind die heikelsten in der ganzen Herde: Sie sind besonders krankheitsanfällig. Denn verschiedene Stressfaktoren schwächen die Kühe und ihr Immunsystem nach dem Abkalben:
- Geburtsstress
- körperliche Anstrengung
- Schmerzen
- gebremster Futterverzehr ums Abkalben
- Leberbelastung durch die Stoffwechselumstellung
- Veränderter Kalziumstoffwechsel bei einsetzender Milchproduktion
Das Normalverhalten kennen
Damit auffällt, wenn etwas nicht stimmt, musst Du Dir immer das Normalverhalten gesunder Tiere vor Augen führen. Wie verhält sich eine fitte Kuh, direkt nachdem sie ein Kalb geboren hat – welche Signale gibt sie Dir?
Die fitte Kuh steht auf
Die fitte Kuh steht direkt nach dem Abkalben auf und kümmert sich um ihr Kalb. Erstkalbskühe dürfen etwas länger liegen bleiben, um sich zu erholen.
Die fitte Kuh leckt ihr Kalb
Sie schleckt das Kalb intensiv ab, um die Eihäute zu entfernen, das Fell zu trocknen und sein Herz-Kreislauf-System sowie die Atmung zu stimulieren.
Die fitte Kuh trinkt viel Wasser
Da die Kuh bei der Geburt viel Flüssigkeit, Mineralstoffe und Blut verliert, hat sie im Normalfall hinterher starken Durst – und trinkt mindestens 40 Liter lauwarmes Wasser.
Die fitte Kuh beginnt zu fressen
Eine gesunde Kuh beginnt bald wieder zu fressen. Du erleichterst ihr die Entscheidung „Fressen oder Kalb“, wenn Du das Kalb in einer Starterbox in ihrem Fressbereich unterbringst.
Die fitte Kuh käut wieder
Eine ausreichende Futteraufnahme zeigt sich in einer guten Pansenfüllung. Hat eine Kuh gut gefressen und käut wieder, sind das beste Voraussetzungen für eine gesunde Laktation.
Die fitte Kuh frisst Nachgeburt
Viele Kühe, die sich (z.B. in einer Abkalbebox oder auf der Weide) frei bewegen können, fressen instinktiv die Nachgeburt.
Nur wenn Deine frischgekalbte Kuh alle diese Punkte erfüllt, ist sie fit und kann in eine ungestörte Laktation durchstarten. Ansonsten musst Du unbedingt nachgehen, was mit ihr nicht stimmt!
Ist die Nachgeburt weg?
Dass sich die Nachgeburt nach der Geburt rasch ablöst ist in zweierlei Hinsicht wichtig:
Zum einen ist dies eine Grundvoraussetzung für eine ungestörten Start in die Laktation.
Zum anderen ist ein Nachgeburtsverhalten immer als ein absolutes Alarmsignal zu werten, das nicht nur eine tierärztliche Behandlung, sondern auch weitere Analyse braucht: Was lief/läuft schief?
Bist Du Dir nicht sicher, ob die Nachgeburt wirklich weg ist? Dann muss kontrolliert werden, ob sich im Genitaltrakt der Kuh noch Eihäute befinden – Warte nicht damit bis die Kuh wegen der gammligen Überreste stinkt!
Temperaturkontrolle
Du solltest Dich nicht nur auf „Dein Auge“ verlassen, um festzustellen, ob Deine frischgekalbte Kuh fit ist oder nicht.
Die Kontrolle der Körpertemperatur ist die einfachste objektive Messung. Jede Abweichung von der Normaltemperatur ca. zwölf Stunden nach der Geburt muss einen Alarm auslösen:
Sowohl eine erhöhte Körpertemperatur (> 39.5°C = Fieber) als auch eine zu tiefe (< 38.0°C = Untertemperatur). Am besten kontrollierst du die Temperatur über die ersten zehn Tage nach der Geburt einmal täglich.
Leise Anzeichen für beginnendes Milchfieber
Milchfieber (Hypokalzämie) ist die häufigste „Berufskrankheit“ der Kühe. Bevor die Muskulatur wegen des Kalziummangels versagt und die Kuh nicht mehr stehen kann, gibt es früher leise Anzeichen. Erkennst Du diese, heisst es: „Dringend eingreifen!“ – Es ist höchste Zeit zu handeln z.B. durch die orale Eingabe von Kalzium, und Schlimmeres wie ein Festliegen der Kuh zu verhindern.
Bei schleichendem oder beginnendem Milchfieber wird die Kuh kalt
Die Kuh mit Milchfieber hat kalte Ohren
Die Ohren einer Milchfieber-Kuh sind kalt, denn der Körper zentralisiert den Kreislauf. Ein schneller Griff dorthin sagt schon viel.
Die Kuh mit Milchfieber fühlt sich kühl an
Streicht man der verdächtigen Kuh mit der Hand über den Rücken, fühlt sie sich auch ihre Hautoberfläche kühl an.
Bei schleichendem oder beginnendem Milchfieber gibt es weitere frühe Anzeichen
Die Kuh mit Milchfieber hat trockenen Kot
Ein dunkler, an der Oberfläche abgetrockneter Kot zeigt, dass die Darmpassage wegen des fehlenden Kalziums verzögert ist.
Die Kuh mit Milchfieber hat eingefallene Augen
Eine kranke Kuh stellt schon bald das Trinken ein. Als Zeichen beginnender Austrocknung sinken ihre Augäpfel dann in die Augenhöhlen ein - wie bei Durchfallkälbern.
Die Kuh mit Milchfieber frisst schlecht
Die eingefallene Hungergrube in der linken Flanke zeigt einen leeren Pansen an: Diese Kuh hat nur wenig oder nichts gefressen.
Bei schleichendem oder beginnendem Milchfieber können Kühe noch stehen, fühlen sich aber wackelig und unsicher
Die Kuh mit Milchfieber liegt mehr
Häufiger jedoch liegen kranke Kühe mehr als gewöhnlich und separieren sich (wenn möglich) von der Herde, um Konflikten und Streitereien aus dem Weg zu gehen.
Nachgeburtsverhalten wegen Milchfieber
Ist nach einem halben Tag die Nachgeburt nicht abgegangen, kann auch das ein Zeichen für schleichendes Milchfieber sein: Wenn die Gebärmutter keine Kraft bzw. nicht mehr genügend Kalzium zur Verfügung hat, um sie auszupressen.
Ein typischer Verlauf: Abends fällt das Nachgeburtsverhalten auf, am nächsten Morgen liegt die Kuh fest und kann nicht mehr stehen.
Mehr zum Milchfieber
Verschiedene Beratungsartikel im Toro beschäftigen sich mit Milchfieber. Du kannst sie Dir als pdf downloaden.
- Weniger Festliegen dank Weichenstellung in der Galtzeit (Toro 07/2017)
- Kalziumpräparate zum Eingeben – noch Fragen (Toro 07/2017)
- Frisch gekalbt und kalt erwischt (Toro 10/2012)
- „Berufskrankheit“ Milchfieber (Toro 05/2005)
- Dem Milchfieber vorbeugen (Toro 07/2023)
Herdengesundheit/Milchfieber wird auch ein Thema sein, das wir hier auf der Homepage demnächst ausführlich vorstellen werden. Gerne halten wir Dich auf dem Laufenden, was sich hier tut. Melde Dich dazu bei unserem Newsletter an.
Kühe leiden leise
Viele Kühe haben nach einer Geburt Schmerzen – ganz konkret zum Beispiel nach einer Schwergeburt oder wenn die Nachgeburt nicht abgeht.
Als Beutetiere versuchen Kühe ihre Schmerzen aber immer zu verbergen.
Sie schreien nie vor Schmerz sondern zeigen nur stumme Symptome.
Ihr Gesicht zeigt, wenn eine Kuh leidet
Es braucht eine aufmerksame Beobachtung der Tiere, damit Du wahrnimmst, dass sie eigentlich stumm leiden.
Ihr Gesichtsausdruck und ihre Körperhaltung verraten Dir dabei viel.
Hautfalten über dem Oberlid
Hautfalten oberhalb der Nasenlöcher und über dem oberen Augenlid sind ein Teil des „Schmerzgesichts“.
Die Körperhaltung zeigt Schmerzen im Beckenbereich
Bei Schmerzen im Becken einer frischabgekalbten Kuh z.B. nach einer Schwergeburt oder bei Nachgeburtsverhalten, ändert die sie ihre Körperhaltung.
Aufgekrümmter Rücken
Eine Kuh mit Schmerzen im Becken oder Bauch geht mit klammem oder breitbeinigem Gang, zieht den Bauch auf und krümmt dabei den Rücken nach oben.
Schlagender Schwanz
Die Kuh schlägt ihren Schwanz gegen die schmerzende Stelle. Anders als zur Fliegenabwehr bewegt sie ihn eher schlängelnd in Richtung Schmerz.
Pressdrang
Schmerzen im Becken rufen einen Pressdrang hervor. Deshalb stellt die Kuh ihren Schwanz ab - je nach Stärke nur ganz leicht bis zu waagrecht. Dazu presst sie manchmal mit dem ganzen Bauch.
Zögerliches Aufstehen
Steht eine frischabgekalbte Kuh nur zögerlich auf, muss man sich immer fragen: Kann sie nicht schneller (z.B. wegen Milchfieber) oder will sie nicht, weil sie Schmerzen spürt?
Zähne knirschen
Bei starken Schmerzen knirschen Kühe hörbar mit den Zähnen. Manchmal stöhnen oder brummen die Kühe noch zusätzlich. Mehr Schmerzlaute machen sie aber nicht.
Dass sie nicht vor Schmerzen brüllen, bedeutet aber keinesfalls, dass Kühe keine Schmerzen spüren!
Mehr zu Schmerzen
Im Beratungsartikel „Kühe leiden leise“ (Toro 03/2016) findest Du weitere wissenswerte Informationen zu Kühen mit Schmerzen und ihre Behandlung. Du kannst ihn als pdf downloaden.
Checkliste
Die Checkliste „Früherkennung für frischgekalbte Kühe“ bietet Dir einen schnellen Überblick, wie Du erkennst, ob Deine Kuh fit ist oder kränkelt. Du kannst sie als pdf downloaden.
Informationen als pdf
Die Informationen zur "Früherkennung für frischgekalbte Kühe" findest Du als pdf im gleichnamigen Beratungsartikel (Toro 08/2019).
Vier Minuten für einen guten Start
Auch in den folgenden Tagen und den ersten Wochen nach der Geburt, musst Du Deine Startphasen-Kühe gut im Auge behalten.
Mit der genauen täglichen Beobachtung, Analyse und Erfassung von fünf Parametern kannst Du wesentlich zu einem guten Laktationsstart beitragen.
Das Prozedere braucht ca. vier Minuten pro frischgekalbte Kuh am Tag.
Körperhaltung, Rückenlinie und Gang
Wie geht und steht die Kuh? Kühe mit aufgekrümmter Rückenlinie und sichtbarer Lahmheiten untersuchen (lassen) und rasch behandeln (lassen)
rektale Körpertemperatur
Wie hoch ist die Körpertemperatur der Kuh? Fieber ist jetzt Zeichen für eine akute Gebärmutter- oder Euterentzündung.
Mehr zum Programm „vier Minuten für einen guten Start“ erfährst Du im gleichnamigen Beratungsartikel (Toro 08/2013), den Du Dir als pdf downloaden kannst.