Die Spermien des Stiers

Eine Samenzelle ist Erbgut mit Aussenbord-Motor.

Die Lebensaufgabe eines Spermiums: Es muss die Eizelle befruchten.

Das klingt banal - es ist aber ein hochkomplexer Vorgang.

Die Voraussetzungen, damit die Befruchtung klappen kann:

  • Vorwärtsbewegung (Motilität) 

Das Spermium muss selbständig in den Eileiter kommen – Es braucht eine Vorwärtsbewegung.

  • Bindungsstellen (Rezeptoren)

Das Spermium muss an die Eizelle andocken – Es braucht Bindungsstellen.

  • Enzyme

Das Spermium muss die Eizellhülle durchdringen – Es braucht Enzyme, um sie aufzulösen.

  • Genetische Information

Das Spermium muss das Erbgut weitergeben – Es braucht Chromosomen, die es transportiert. 

Perfekte Ausstattung

Der Aufbau einer Samenzelle ermöglicht diese Funktionen perfekt

Von Kopf bis zum Schwanz des Spermiums sind die Aufgaben verteilt:

  • Mit den Rezeptoren seiner äusseren Membran dockt es an die Eizelle an
  • Mit den Enzymen des Akrosoms löst das Spermium die Eizell-Hülle auf.
  • Im Spermienkopf ist das Erbgut kondensiert.
  • Im Mittelstück sitzt der „Motor“, die Mitochondrien
  • Der Spermienschwanz (Haupt- und Endstück) treibt an.

Die Rezeptoren in der Plasmamembran

Die Spermienmembran ist mehrteilig.

Die äusserste Schicht bezeichnet man als Plasmamembran.

In ihr sind verschiedene Rezeptoren eingebaut.
Sie können für das Spermium wichtige, aber völlig unterschiedliche, Dinge wahrnehmen oder an Strukturen binden. 

Die Eizelle riechen

Riechrezeptoren, wie sie auch die Nasenschleimhaut enthält, erschnüffeln für die Spermien den richtigen Weg zur Eizelle.

Sie strömt einen Lockstoff aus, der dem Maiglöckchen-Duft ähnelt.

An den Eileiter binden

Manche Rezeptoren kommunizieren mit der Innenauskleidung des Eileiters und binden dort.

Hier reifen die Spermien endgültig aus und bilden ihre Membran und die Rezeptoren an ihrem Kopf um (Kapazitation).

An die Eizelle docken

Die kapazitierten Spermien können sich vom Eileiter-Epithel wieder lösen und schliesslich mit ihren ausgereiften Rezeptoren an der Oberfläche der Eizelle binden. 

Die Enzyme im Akrosom

Unter der Plasmamembran liegt am vorderen Ende des Spermiums das sogenannte Akrosom, das selbst von einer Membran umhüllt ist.

Hier befindet sich ein Enzymcocktail, der nach der Kapazitation die Eizellhülle punktuell auflösen kann. 

Das Erbgut im Kern

Im Kern des Spermienkopfes ist das Erbgut stark verdichtet.

Es verschmilzt später bei der Befruchtung mit den Erbinformationen der Eizelle. Daher ist das Erbgut des Stiers in einem Spermium und das der Kuh in der Eizelle jeweils halbiert (2 x ½ gibt später ein ganzes).

Haploider Chromosomensatz

Das Erbgut liegt in einem Spermium als «haploider Chromosomensatz» vor. Ein Rind hat komplett 30 Chromosomenpaare (ein Mensch 23). Im Spermium eines Stiers sind daher 30 Chromosomen in kondensierter Form. 

Zwei Reifeteilungen

Die Reduktion der Chromosomen finden in zwei Reifeteilungen (Meiosen) während der Spermienbildung (Spermatogenese) im Hoden statt. 

Ein Geschlechtschromosom

Auch die beiden Geschlechtschromosomen des Stiers (X- und Y-Chromosom) werden jeweils auf die Hälfte der Spermien verteilt. Jedes enthält eines. Darum kann Sperma nach Geschlecht getrennt werden.

Unsere Empfehlung

Der Motor im Mittelstück

Mitochondrien sind in allen Körperzellen die Kraftwerke, die durch chemische Reaktionen Energie produzieren.

In den Spermien sind sie im Mittelstück spiralig angeordnet. Sie wandeln Zuckermoleküle in Kraft um, die die Fasern (Fibrillen) des Schwanzes antreibt. Nur wenn die Mitochondrien funktionieren, zeigen die Spermien eine gute Vorwärtsbewegung (Motilität).

Der Antrieb im Spermienschwanz (Flagellum)

Spermien sind die einzigen Körperzellen, die sich aus eigener Kraft selbständig vorwärts bewegen können.

An der Basis ihres Schwanzes liegen zwei Centriolen. Diese wandeln die Energie aus dem Mittelstück in Bewegung um. 

(K)ein Spaziergang

Spermien (Ø 0,06 mm) schwimmen 4 mm/min.

Dieselbe Geschwindigkeit, die (umgerechnet auf die Körpergrösse) ein Mann für 100 Meter in einer Minute benötigt – ein zügiger Spaziergang.

Ironman

Beim Natursprung müssen die Spermien von der Scheide der Kuh durch den Gebärmutterhals schwimmen.

Umgerechnet auf einen Mann würde das rund fünf Kilometer Dauerschwimmen bedeuten. Mehr als beim Ironman-Triathlon!

Harte Selektion

Auch am Ende der Gebärmutter müssen die Spermien aus eigener Kraft in die Öffnung des Eileiters treffen.

Dazu brauchen sie eine zielgerichtete, gerade Vorwärtsbewegung – dies ist Teil der Selektion der fittesten Spermien.