Die Beurteilung von aussen – Adspektion

Vor einer Besamung gehört ein kurzer Blick auf den allgemeinen Zustand der Kuh dazu.

Entsteht schon jetzt der Verdacht, dass die Erfolgschancen gering sind, können weitere Abklärungen bzw. Untersuchungen folgen oder die Besamung verschoben werden. Dieses Vorgehen schont Tier, Mensch und Portemonnaie. 

Lerne, die Tiere deshalb zu lesen – welche Signale kannst Du erkennen?

Wenn Du immer auf dieselben Dinge achtest, fallen Dir «Abweichungen vom Soll» schnell auf.

Umgebung

Mach Dir ein schnelles Bild:

  • Mit welchem Betrieb hast Du es zu tun?
  • Wie schätzt Du das Fruchtbarkeitsmanagement ein?
  • Wie funktioniert die Brunstbeobachtung auf diesem Betrieb?

Ein schneller Blick über das Haltungssystem, den Stall und auf seinen Boden.

Übrigens: Auch für Eigenbestandsbesamer lohnt sich dieser kritische Blick auf die eigenen Verhältnisse. Das hilft gegen Betriebsblindheit. 

Anbindestall

Wie sicher ist die Brunstbeobachtung bei angebundenen Kühen?

Lässt der Betrieb seine Kühe in den Auslauf oder auf die Weide?

Freilauf

Wenn sich Tiere frei bewegen können, zeigen sie ihre Brunst grundsätzlich besser
-
auf der Weide oder im Auslauf am besten.

Belegdichte

In engen oder überbelegten Ställen zeigen vor allem rangniedere Tiere ihre Brunst nur schlecht.

Luftaustausch

Stickige, dicke Luft in Ställen mit niedriger Decke reduziert Brunstgeschehen und Fruchtbarkeit.

Länge des Lägers

In Ställen mit zu kurzen Lägern oder geringem Kuhkomfort sind die Fruchtbarkeit und das Brunstgeschehen häufig reduziert.

Futtervorlage

Welches Futter und wieviel davon liegt in der Futterkrippe? Das gibt einen schnellen Hinweis auf die Energieversorgung und somit die Fruchtbarkeit der Tiere.

Tränkehygiene

Schmutzige Tränken sind ein Indiz dafür, dass auf dem Betrieb momentan wenig Zeit in Stallhygiene investiert wird. 

Praxis-Tipp

Besamungstechniker Franz sagt:

«Mit der Zeit kennt man seine Betriebe auf der Besamungstour und weiss wie der einzelne Züchter tickt.
Am Anfang ist es aber günstig, wenn man sich selbst ein Bild von den Umständen vor Ort macht.
Wer hat seine Herde wie im Griff?»

Automatische Brunsterkennung im Einsatz?

Mit Monitoringsystemen wie Sensehub® wird die Brunsterkennung im Betrieb zuverlässiger.

Frag entsprechend nach dem aktuellen «Heatindex». 

Tieridentität

Am Tier selbst beginnst Du mit der Frage:
Steht das richtige Tier, das besamt werden soll, vor Dir?

Dazu unbedingt die Ohrmarken kontrollieren.

Sonst gibt es später Probleme mit der Abstammung des Kalbs.

Die Verantwortung liegt bei Dir!

Praxis-Tipp

Besamer Franz betont:

«Vor allem, wenn niemand vom Betrieb vor Ort ist, muss die Ohrmarke sorgfältig überprüft werden.
Trotzdem solltest Du Dich nicht blind darauf verlassen, dass der Züchter Dich immer zur richtigen Kuh führt:
Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser!».

Achtung: Mutterkühe!

Mutterkühe sind oft mit Vorsicht zu geniessen, da sie den direkten Umgang mit Menschen nicht gewohnt sind.

Unbedingt Vorkehrungen zur persönlichen Sicherheit treffen!

Praxis-Tipp

Franz warnt:

«Unterschätzt nie, wie sportlich vor allem Kühe von Mastrassen sein können. Sie haben potentiell sehr flinke Beine!
Es gibt Besamer, die hatten schon die Klauen einer Mutterkuh oben auf der Schulter – direkt neben dem Hals…»

Stärken und Schwächen des Tiers

Zur professionellen Einschätzung des Tiers gehört auch ein schneller Blick über sein Exterieur.

Das System der linearen Beschreibung kann Dir hier Anhaltspunkte geben.

Wo liegen die Stärken und wo die Schwächen des Tiers?

Scanne kurz diese Punkte: 

Format

  • Grösse
  • Körpertiefe und Brustbreite
  • Milchcharakter

Euter

  • Euteraufhängung
  • Zentralband
  • Zitzen
  • Eutertiefe

Beine

  • Winkelung und Stellung
  • Klauensatz

Becken

  • Neigung
  • Breite

Praxis-Tipp

Franz rät Berufsanfängern:

«Wir Besamer werden von den Kunden durchaus als Zuchtexperten angesehen. Fachsimpelei über die Stärken und Schwächen eines Tiers gehören zu unserem Alltag. Schult daher Eure Blicke in dieser Hinsicht.»

Allgemeinzustand

Der erste Blick auf das Tier gilt seinem Gemüt und Temperament.

Danach entscheidest Du, ob es zusätzliche Massnahmen für die Arbeitssicherheit braucht. 

Aufgeregtes, nervöses Tier

Sicherheit zuerst! Ein zusätzliches Kopfhalfter kann Dir bei nervösen Tieren helfen, sicher zu arbeiten.

Alter

Alte Kühe haben eher Probleme mit der Fruchtbarkeit als jüngere. Du kannst versuchen das Alter an den Hörnern oder am Euter abzuschätzen.  

Druckstellen oder Beulen

Schwellungen (Technopathien) z.B. am Nacken oder am Becken sprechen dafür, dass die Aufstallung nicht passt und die Kuh Schmerzen hat. 

Verdreckte oder haarlose Stellen

Schmutzige Tiere oder Scheuerstellen zeigen ebenfalls mangelnden Kuhkomfort oder Defizite in der Fütterung, wenn die Kühe Durchfall haben. 

Praxis-Tipp

Franz empfiehlt:

«Schult Euren Blick auch in dieser Hinsicht für Kühe!

Das dient nicht nur Eurer Arbeitssicherheit sondern hilft auch beim Einschätzen der Erfolgschancen einer Besamung».

Körperkondition

Wenn Du das BCS-Schema einigermassen im Kopf hast, fällt Dir schnell auf, ob Du es mit einem kritischen Fall zu tun hast. 

Praxis-Tipp

Franz stellt fest:

«Zu besamende Tiere sind in der Regel eher zu mager, da sie zu Laktationsbeginn oft Körperfett mobilisieren mussten.

Ein fettes Tier spricht dafür, dass es schon länger gemolken wird und öfters erfolglos besamt wurde.»

Gliedmassen und Klauen

Lahme Tiere und Tiere mit Schmerzen haben grundsätzlich schlechtere Erfolgschancen bei einer Besamung. Achte deshalb auf entsprechende Zeichen.  

Vorgestelltes Bein

Ungleichmässig belastete, vorgestellte Beine zeigen leichte Schmerzen an. 

Stallklauen

Kühe mit ungepflegten Klauen haben ein schlechteres Besamungsergebnis.

Druckstellen

Liegebeulen an Vorder- oder Hinterbeinen sind schmerzhaft – und oft Folgen eines nicht optimalen Stallsystems.

Lahmheit

Kühe, die deutlich lahm gehen, sollten besser nicht besamt werden.

Praxis-Tipp

Franz rät:

«Der negative Effekt von Schmerzen und Lahmheit auf das Besamungsergebnis wird oft unterschätzt. Eigentlich sollte man solche Tiere grundsätzlich nicht zur Besamung zulassen. Sprecht darüber mit den Besitzern!»

Stierer Blick

Gutes Zeichen – die Kuh ist in Brunst, evt. noch etwas früh zum Besamen.

Ödematisierte Scham

Gutes Zeichen – Das Brunsthormon Östrogen führt zu Wassereinlagerungen und Rötung der Scheidenschleimhaut

Eingefallene Beckenbänder

Schlechtes Zeichen - Die Beckenbänder müssen straff sein – eingefallene Bänder stehen für Zysten.

Schleim

Gibt es Schleimspuren z.B. an der Scham, am Oberschenkel oder am Schwanz? Wie sieht er aus, ist er zähflüssig oder eher dünn?

Klarer Brunstschleim

Gutes Zeichen – Die Erfolgsaussichten sind höher, wenn klarer Brunstschleim sichtbar ist.

Rauchiger Brunstschleim

Eher schlechtes Zeichen – Du musst hier genauer hinschauen und gründlich weiteruntersuchen. Woher kommt der Schleim? Wie ist die Vorgeschichte dieser Kuh?

Blutspuren

Schlechtes Zeichen – Die Kuh blutet ab, die Besamung ist vermutlich zu spät. Blut reduziert den Besamungserfolg.

Praxis-Tipp

Franz betont:

«Bevor mein Handschuh zum Einsatz kommt, scanne ich die Kuh ganz schnell mit dem Auge.
Besonderer Schwerpunkt: Was fällt mir am Becken oder an ihrer Scham auf?
Das geht mit etwas Übung mit nur einem Blick.

Schreibt unbedingt auf, wenn Euch dabei etwas Abnormes auffällt. Dann habt Ihr im Fall einer Nachbesamung gleich einen Vergleich mit dem Zustand vor drei Wochen».

Checkliste

Auf unserem „Spickzettel“ haben wir Dir die wichtigsten Punkte dieser Seite zusammengefasst.

Unser Praxis-Tipp:
Die Azubis bei Swissgenetics erhalten diese Checkliste jeweils laminiert zum in die Schürzentasche zu stecken. So geht nichts vergessen.