Kühe zeigen Schmerzen leise

Als potentielle Beutetiere zeigen Rinder Schwächen und Schmerzen möglichst unauffällig und leiden leise. Daher gelten sie landläufig als «schmerzresistent» und von Schmerzmitteln wird häufig abgesehen. Doch eine Therapie hat viele Vorteile. 

Schmerzsensoren

Von der Anatomie her verfügen Kühe und Kälber jedoch über dieselben Sensoren und Nervenbahnen wie Menschen.
Wahrscheinlich empfinden sie Schmerzen genauso wie wir – und vermutlich fühlen sie häufiger und grössere Schmerzen als wir ahnen. 

Subjektiver Eindruck

Schmerzen können nicht objektiv gemessen werden. Es geht daher immer um die eigene Beobachtung, den persönlichen Eindruck und eine subjektive Einschätzung des Schmerzverhaltens.  

Systeme schlagen Alarm

Da sich das Verhalten und die Futteraufnahme schon bei mässigen Schmerzen reduzieren, melden Herdenmanagementsysteme wie SenseHub® bereits in frühen Stadien von Erkrankungen Alarm. 

Den Schmerz erkennen können

Diese Zeichen zeigen allgemeines Unwohlsein und Schmerz 

Kalte Ohren

Kranke Kühe zentralisieren ihren Blutkreislauf. Deshalb werden die Ohren kühl, wenn sich die Kuh nicht wohlfühlt. 

Angedrückte Nase

Kühe zeigen Kopfschmerzen, indem sie diesen fest an eine Wand, an Herdengenossinen oder an Gegenstände pressen

Schwanz schlagen

Schmerzen im hinteren Körperbereich zeigt die Kuh durch Schwanz schlagen und Stampfen mit den Beinen. 

Kranke Gliedmassen führen zur Lahmheit

Der Bewegungsablauf und das Liegeverhalten geben Hinweise, wie schmerzhaft eine Verletzung oder Erkrankung an einem Bein ist und wo der Schmerz vermutlich sitzt.  Wichtig ist, bereits das Anfangsstadium einer Lahmheit zu erkennen!  

Separates Liegen

Wenn Kühe abseits der Herde liegen, gehen sie Konflikten aus dem Weg und können länger liegen bleiben. So vermeiden sie unnötige Bewegungen. 

Schrittlänge

Ein klammer Gang ist bereits ein Warnzeichen für eine geringgradige Lahmheit. 

Vorgestelltes Bein

Das erkrankte Bein nach vorne zu stellen, entlastet es beim Stehen. 

Gesenkter Hals

Indem sie Kopf und Hals nach untern hält, versucht die lahme Kuh trotz Schmerzen im Gleichgewicht zu bleiben. 

Rückenlinie

Auch ein aufgezogener Rücken hilft der Kuh mit Problemen im Bewegungsablauf, das Gleichgewicht zu halten. 

Schwellung

Geschwollene Gelenke sind entzündet und schmerzhaft. 

Hangbeinlahmheit

Bei einer «Hangbeinlahmheit» bereitet den Kühen das Heben und  Vorwärtsbewegen des Beins Probleme – dann sitzt der Schmerz in den oberen Regionen, z.B. am Buggelenk des Vorderbeins oder am Becken.  

Mögliche Ursachen für eine Hangbeinlahmheit: 

Kälber mit Schmerzen

Auch Kälber zeigen Schmerzen nur stumm. Es braucht eine gute Beobachtung, um diese frühzeitig zu erkennen. 

Schmerzgesicht

Wie Kühe spannen auch Kälber bei Schmerzen ihre Gesichtsmuskeln an, weshalb dort Falten zu sehen sind – auch sie hören bei Schmerzen «in sich hinein. 

Praxis-Tipp

Erfahrungsberichte von Züchtern zeigen, dass Kälber z.B. nach einer Schwergeburt besser trinken, wenn sie Schmerzmittel erhalten.

Tierärztin Christina warnt allerdings: «Für neugeborene Kälber ist nicht jedes Medikament geeignet. Ihre Leber muss den Abbau der Substanz erst reif genug sein. Es ist Sache des Hoftierarztes das passende Medikament zu verschreiben». 

Harter Bauch

Eine gespannte Bauchdecke ist ein Zeichen für Bauchschmerzen – unbedingt eine Nabelentzündung ausschliessen!

Koliksymptome

Wenn Kälber unruhig mit den Beinen stampfen, sich immer wieder ablegen und aufstehen, haben sie Probleme mit dem Verdauungsapparat (Durchfall oder Schlimmeres). 

Schmerzhafter Eingriff: Enthornen

Praxis-Tipp

Züchterin Barbara erzählt von ihren Erfahrungen beim Enthornen: «Seit wir unseren Kälbern kurz vor dem Eingriff, zusätzlich Schmerzmittel geben, trinken sie nach dem Enthornen sofort wieder besser. Wir haben den Eindruck, dass auch das Abheilen weniger und weniger lange schmerzt. Mit Schmerzmitteln behandelte Kälber schütteln erfahrungsgemäss seltener den Kopf und sind auch später weniger kopfscheu.» 

(Be)handeln rechnet sich

Schmerzbehandlung bei Rindern war in der Vergangenheit nie ein grosses Thema. Doch Schmerzmittel machen sich bezahlt und sind bei beeinträchtigten Tieren nicht nur aus ethischen und tierschutzrechtlichen Gründen wichtig:

  • Sie verbessern das Allgemeinbefinden und
  • Sie steigern die Futteraufnahme und
  • Sie erhöhen die Leistung

Praxis-Tipp

Tierärztin Christina warnt jedoch vor dem zu sorglosen Umgang mit Schmerzmitteln:

«Nur Schmerzmittel zu geben, ohne der Ursache für diese auf den Grund zu gehen, kann auch gewaltig schief gehen. So gehören zum Beispiel fieberhafte Erkrankungen oder Lahmheiten zunächst immer tierärztlich abgeklärt! Wie alle Medikamente haben auch Schmerzmittel Nebenwirkungen. Es gilt nicht: Viel hilft viel.»

Wie stark ist der Schmerz?

Ob jemand einen Entscheid «Pro-Schmerzmittel» trifft, ist von einem wichtigen Faktor abhängig: Wie stark schätzt die Person, die Schmerzhaftigkeit einer Erkrankung oder eines Eingriffs überhaupt ein – und hier gibt es erstaunliche Unterschiede.

  • Frauen beurteilen Schmerzen stärker als Männer
  • Frauen halten mehr tierärztliche Eingriffe für schmerzhaft an als Männer
  • Frauen gehen bei mehr Erkrankungen von Schmerzen aus als Männer
  • Frauen (Tierärztinnen  und Landwirtinnen) greifen deshalb für ihre Tiere schneller zu Schmerzmittel als Männer

Schmerzmittel in der Praxis

  • Schmerzmittel grundsätzlich nur mit tierärztlicher Verschreibung
  • Tierarzneimittelvereinbarung (TAM-V): Bezug der Schmerzmittel in der Tierarztpraxis und Anwendung nach Vorschrift möglich, wenn regelmässige Betriebsbesuche erfolgen.
  • Dokumentation von Abgabe, Verwendung und Vorrat im Behandlungsjournal und
  • Schmerzmittel können Nebenwirkungen wie Labmagengeschwüre verursachen
  • Medikamente nur in korrekter Dosierung und über begrenzte Zeitdauer einsetzen

Praxis-Tipp

Tierärztin Christina sagt: «Schmerzmittel ist nicht gleich Schmerzmittel! Es ist gut sich vor dem Einsatz mit den unterschiedlichen Stoffen auseinanderzusetzen».

  • Nichtsteroidale Entzündungshemmer (NSAID - non steroidal anti inflammatory drug):
    hemmen im ganzen Körper gegen Botenstoffe, die bei Entzündungen entstehen und Schmerzreize auslösen. Sie senken Fieber und sorgen für weniger Sensibilität an den Schmerzrezeptoren des Nervensystems.

  • Steroidale Schmerzmittel («Kortison»):
    gehören ausschliesslich in tierärztliche Hände, da sie als Hormone auf den Stoffwechsel wirken und z.B. auch Fehlgeburten auslösen können.

  • Lokalanästhetika:
    betäuben Nerven direkt, so dass dort kein Schmerzreiz weitergeleitet wird. Sie werden zur örtlichen Betäubung eines Operationsfelds oder beim Enthornen verwendet.

  • Spasmolytika:
    wirken krampflösend und somit schmerzlindernd im Magen-Darm-Trakt zum Beispiel bei Koliken oder starken Durchfällen.

  • Sedativa:
    stellen das Tier ruhig. Bei höherer Dosierung legen sich die Tiere hin.
    Entgegen dem landläufigen Eindruck dämpfen sie das Schmerzempfinden vor allem an den Beinen und am Kopf jedoch nur wenig und müssen daher bei operativen Eingriffen mit einer Lokalanästhesie ergänzt werden.

  • Narkotika:
    werden ausschliesslich durch Tierärzte zur tiefen Narkose mit Verlust des Bewusstseins z.B. bei Operationen verabreicht.