Fruchtbarkeitskennzahlen nutzen
Messgrössen, die den Status der Fruchtbarkeit Deiner Herde objektiv beschreiben, sind hilfreich.
Sie können Dein Bauchgefühl unterstützen oder Dir vor Augen führen, dass Deine subjektive Annahmen falsch sind.
Die Fruchtbarkeitskennzahlen (FBK-Kennzahlen), die unsere Zuchtverbände aufarbeiten, sind als Kontrollinstrumente sehr gut geeignet. Sie sind wie ein gutes Geschenk: praktisch, einfach und immer wieder brauchbar !
Allerdings muss man wissen, wie welche Kennzahl errechnet wird und was sie bedeutet. Sonst erleidet die Analyse Schiffbruch.
Durchschnittswerte und Einzeltiere
Für alle Kenngrössen gibt es einen Durchschnittswert für die Herde und eine individuellen Wert für das Einzeltier.
Die anzustrebende Zielgrösse (Sollwert) bezieht sich meist auf die ganze Herde. Es kann jedoch sehr wichtig sein, die Verteilung oder Streuung von Einzeltieren anzuschauen, auch wenn die Kenngrösse Herde im „Soll“ ist.
Denn der Herdendurchschnitt sagt nichts über die Streuung aus. So können z.B in einer Herde, deren Zwischenkalbezeit (ZKZ) 390 Tage beträgt, alle Kühe dieser Herde eine ZKZ von 390 Tagen haben - oder aber die Einzelwerte von 350 bis 450 Tagen stark variieren.
Übersicht der einzelnen Kennzahlen
Nur wer weiss, welchen Zeitraum die einzelne Fruchtbarkeitskennzahl beschreibt, kann auch die richtigen Schlüsse aus ihr ziehen !
Du möchtest Dir eine Übersicht downloaden? Das kannst Du hier.
Praxis-Tipp:
Landwirt Gian sagt: „Für unseren Betrieb mit saisonaler Abkalbung ist es optimal, wenn alle Kühe alle 365 Tage abkalben. Wenn sie schlecht aufnehmen, haben wir ein Problem. Sie fallen dann aus unserem Alp-Rhythmus heraus – bekommen wir eine Kuh nicht rechtzeitig tragend, muss sie abgehen. Ein Talbetrieb hat da mehr Spielraum und weniger Zeitdruck. Die Zwischenkalbezeit finde ich ansonsten für die aktuelle Situation auf meinem Betrieb wenig aussagekräftig: Sie zeigt mir ja nur, dass ich vor einem Jahr eventuell einen Fehler im System gehabt habe “.
Die Rastzeit (RZ)
Die Rastzeit (RZ) zählt die Tage zwischen der Abkalbung und der ersten Besamung.
Sie setzt sich in der Praxis aus zwei Komponenten zusammen:
- Die biologischen Wartezeit, die es braucht bis die Kuh zum ersten Mal wieder deutlich in Brunst ist
- Die freiwillige Wartezeit, die der Betrieb festlegt oder festlegen sollte
Praxis-Tipp:
Landwirtin Renée erzählt: „Früher haben wir eine Kuh möglichst bald nach der Abkalbung wieder besamt – zum Teil deutlich vor dem 50. Tag. Irgendwann hat unser Besamer vermutet, dass es an dieser kurzen Rastzeit liegen könnte, dass sie so schlecht aufs erste Mal tragend geworden sind. Jetzt kriegen die Kühen mehr Zeit – zwischen 70 und 90 Tagen - und der Erstbesamungserfolg hat sich deutlich gebessert. Ich habe von einer Studie aus Ostdeutschland gelesen, wo sich eine freiwillige Wartezeit von 180 Tagen wirtschaftlich ausgezahlt hat. Das finde ich einen interessanten Ansatz! Für unser Kühe wäre das wohl zu lange. Sie haben keine so gute Persistenz und werden gegen Laktationsende eher fett“.
Praxis-Tipp:
Tierarzt Christoph sagt: „Die Verzögerungszeit ist die Kennzahl, die den Landwirt Geld kostet, wenn sie aus dem Ruder läuft! Hat er doch entschieden, dass die Kuh besamt werden soll, sie ist dann aber nicht tragend geworden. Also muss man sich fragen, warum eigentlich nicht ? Oft liegt es aus meiner Erfahrung an der Brunstbeobachtung, wenn ein Betrieb eine lange Verzögerungszeit aufweist – besonders auch 21 Tage nach der Erstbesamung, wenn man die zurückkommende Kuh übersieht. Natürlich gibt es noch 100te anderer Gründe, warum der Besamungserfolg ausbleibt“.
Praxis-Tipp:
Tierarzt Christoph erzählt weiter von seinen Erfahrungen aus der integrierten Bestandsbetreuung (ITB): „Im besten Fall sind die Serviceperiode und die Rastzeit identisch: Wenn die erste Belegung erfolgreich war und es keine Verzögerungszeit gibt. Das ist in vielen Betrieben allerdings absolutes Wunschdenken!
Ich empfehle gerne mit den Faustzahlen aus der 21-Fruchtbarkeitszahlen-Reihe zu arbeiten:
- Nach 21 Tagen hat sich die Kuh von der Geburt erholt
- Nach 42 Tagen wurde sie einmal brünstig gesehen - ihr Zyklus läuft
- Nach 63 Tagen wird sie belegt
- Nach 84 Tagen ist sie wieder trächtig“
Der Besamungsindex und der Erstbesamungserfolg
Der Besamungsindex (BI) ist ein Quotient: Alle Besamungen werden durch die Anzahl aller besamter Tiere geteilt.
Der Erstbesamungserfolg (EBE) ist dagegen die Trächtigkeitsrate nach den Erstbesamungen: Dieser prozentuale Anteil der Herde ist gleich bei der ersten Besamung trächtig geworden und geblieben.
Praxis-Tipp:
Landwirt Thomas erzählt: „Ich haben den Besamungsindex immer als hilfreiche Kennzahl empfunden und speziell auf diesen geachtet. In den letzten Jahren stieg er in meinem Betrieb kontinuierlich an – bis auf einen Wert von 3.8 - Also fast vier Besamungen pro Trächtigkeit. Wahnsinn ! Ich hab beschlossen: Jetzt muss was passieren und einen spezialisierten Tierarzt engagiert, der ITB anbietet. Nach einem Jahr regelmässiger Bestandesbetreuung, ist der BI bereits auf 2.8 gesunken. Noch nicht toll, aber es wird. Geändert haben wir insbesondere die freiwillige Rastzeit – wir warten jetzt länger – und die Brunstbeobachtung. Momentan denke ich über die Anschaffung eines automatischen Brunsterkennungssystems nach.“
Praxis-Tipp:
Besamungstechniker Peter beurteilt den Nutzen der NRR so: „Die NRR ist immer höher und weniger streng als der Besamungserfolg. Denn sie zählt einfach alle Tiere, die nicht mehr nachbesamt wurden - auch solche, die z.B. ihre letzte Chance hatten und anschliessend geschlachtet wurden. Die NRR wird von Besamungsorganisationen auch zur Kontrolle der Produktqualität oder unserer Arbeitsqualität genutzt. So wird für jeden Besamer seine monatliche NRR errechnet und innerhalb der Besamergruppe verglichen. Dadurch fällt schnell auf, wenn jemand hinterher hinkt. Derjenige wird dann in seiner Arbeitsweise kontrolliert und entsprechend geschult.“
Der Besamer von Kuh VERGISSMEINICHT erklärt im furchtbar fruchtbar des TORO (03/2019) wie die Arbeitsqualität des Besamungsdienstes kontrolliert wird: Am besten bekommt man kein Sternli !
Andere Indexe und Kennzahlen
Um spezielle Fragestellungen klären zu können, sind weniger bekannte Parameter häufig hilfreich:
Die Brunsterkennungsrate
Die Brunsterkennungsrate objektiviert die Qualität der Brunstbeobachtung und dient als Erfolgskontrolle.
Richtwerte für eine gute Fruchtbarkeit
Eine Übersicht mit den Richtwerten der wichtigsten leistungsabhängigen und –unabhängigen Kennzahlen kannst Du Dir hier herunterladen.
Fruchtbarkeitskennzahlen richtig nutzen
So kannst Du mit den Kennzahlen Deines Betriebs am besten arbeiten und sie bestmöglich nutzen:
- Für die Herde und Deinen Produktionsbedingungen angepasste Zielwerte und einen realistischen Zeitraum definieren – z.B. in der Bestandsbetreuung gemeinsam mit dem Tierarzt
- Kontinuierliche, vollständige und übersichtliche Daten erheben und verwalten (Brunstkalender, Stallkarten oder Herdenmanagement-System)
- Regelmässig die aktuelle Situation analysieren
- Nachfolgend konkrete und realistische Massnahmen treffen
- Fachleute anfragen und mit diesen zusammenarbeiten: Tierärzte, Besamungstechniker, Berater etc.
Checkliste für Massnahmen
Was sind die wichtigsten Ursachen, wenn eine oder mehrere der Zielgrössen nicht erreicht wird? Eine Übersicht für mögliche Gründe, sortiert nach Kennzahl, und Vorschläge für Massnahmen, um diesen entgegen zu steuern, bietet Dir unsere Checkliste „Massnahmen für die Fbk Zahlen“. Du kannst sie hier downloaden.