Keine Trächtigkeit sondern neue Brunst - Umrindern
Deine Kühe „packen“ nicht
Die absolute Mehrheit der Kühe (75 -90 %) werden nach einer Besamung tragend.
Manche von diesen bleiben aber nicht trächtig. Der Embryo stirbt trotz Befruchtung ab.
Dieser Umstand ist «von aussen» nicht erkennbar.
Die Kuh kommt nur erneut in Brunst.
Sie "rindert um".
Die Ursachen für dieses Phänomen können ganz unterschiedlich sein.
Auf den ersten Blick bemerkst Du nur, dass Deine Kuh "nicht packt".
Eisprung und Gelbkörper
Kühe, die umrindern, haben einen normalen Eisprung und 10 Tage später einen Gelbkörper in Blüte.
Praxis-Tipp
«Die Kühe kommen alle 3 Wochen zurück in Brunst. Sie zeigen sich immer deutlich, werden aber nicht tragend!», so lauten viele Schilderungen von Landwirten aus der Praxis.
Auch die Kühe von Richard Studer zeigten diese Fruchtbarkeitsstörung.
Er erzählte in diesem Video davon:
Wann ist es normal, dass Kühe umrindern?
Solange die Kuh nicht tragend ist, läuft ihr Hormonzyklus. Sie kommt regelmässig alle 21 Tage in Brunst.
Wie dieser Hormonzyklus funktioniert und was passiert, wenn ein Embryo abstirbt, zeigt unser Video:
Was funktioniert bei Kühen, die nach der Besamung umrindern, nicht?
Am Tag 16 der Trächtigkeit sendet der Embryo ein Signal an die Gebärmutter (Interferon tau, IFNT).
Dadurch kann die Gebärmutter erkennen, dass sie tragend ist. Der Brunstzyklus wird so blockiert.
Stirbt der Embryo allerdings ab oder kann die Gebärmutter sein Signal nicht verstehen, startet der Zyklus von neuem. Die Kuh wird wieder stierig.
Was genau an Tag 16 passiert, erklärt der Beratungsartikel «Kalb oder kein Kalb» (Toro 05/2016, pdf)
Welche Faktoren begünstigen, dass Kühe umrindern?
Als Ursache für umrindernde Kühe kommt vieles in Frage:
Nichtinfektiöse Substanzen oder aber infektiöse Erreger, die den Embryo töten, sowie alle Umstände, die seine Kommunikation mit der Gebärmutter stören.
Verschiedene Fütterungsfehler
Die Versorgungslage der Kuh hat enormen Einfluss auf die Entwicklungskompetenz des Embryos und seine Ernährung im Verlauf der Trächtigkeit.
Viele Fütterungsfehler schlagen deshalb sofort durch, der Embryo kann sich nicht entwickeln, er stirbt und die Kuh kommt zurück in Brunst.
Beratungsartikel
Mehr zu diesen Fütterungsfehlern, die zum Umrindern führen können, findest Du in den folgenden Beratungsartikeln (pdfs):
- Ketose kostet richtig Geld (Toro 08/2020)
- Dem Azeton auf der Spur (Toro 05/2013)
- Harnstoff steigt – Fruchtbarkeit sinkt (Toro 08/2012)
- Anhaltende Auswirkungen (Toro 06/2020)
- Den Elementen auf der Spur (Toro 02/2011)
- Verschimmeltes Futter nicht verfüttern (Toro 03/2007)
- Weil Dreck nicht schmeckt (Toro 04/2014)
- Kuh Soja: Hoher Harnstoff im Herbst (furchtbar fruchtbar, Toro 07/2018)
- Kuh Morchel: Schimmel und kein Ende (furchtbar fruchtbar, Toro 08/2019)
- Kuh Auster: Was aus der Leitung kommt (furchtbar fruchtbar, Toro 06/2019)
Niedriger Progesteronwert
Das Trächtigkeitshormon Progesteron, das der Gelbkörper auf dem Eierstock produziert, steuert die Bildung des Nährschleims in der Gebärmutter.
Progesteron fördert auch die Zellteilung und somit die Entwicklung des Embryos.
Ein Mangel an Progesteron kann Ursache einer mangelhaften Entwicklung der Embryonen und so einer immer wiederkehrenden Brunst sein.
Schneller Anstieg erwünscht
Bereits direkt nach der Brunst, also gleich nach der Befruchtung der Eizelle, entscheidet ein schneller Anstieg von Progesteron, ob der Embryo überleben wird oder nicht.
Kühe mit Pansenazidose
Auch wenn der Pansen übersäuert, entstehen Giftstoffe. Diese können die Progesteronsynthese ebenso stören. Das Milchfett und das Wiederkauverhalten sind gute Indikatoren.
Beratungsartikel
Mehr zur Gelbkörperinsuffizienz, die zum Umrindern führen kann, gibt es im Beratungsartikel «Gelbkörper für neues Leben», (Toro 02/2012)
Gestörte Gebärmutter – verändertes Milieu
In den ersten Wochen hängt das Überleben des Embryos stark an der Gebärmuttergesundheit der Kuh: Die Zusammensetzung des Nährschleims, die Sensibilität der Gebärmutter für seine hormonelle Kommunikation mit ihr und die Kontaktaufnahme bei der Einnistung.
Jede Störung ist für ihn tödlich – und sie tritt schnell ein.
Senkscheide
Läuft bei einer starken Senkscheide Urin in die Gebärmutter, kann ein Embryo dort nicht überleben.
Da Senkscheiden nicht von selbst heilen, sind solche Kühe anhaltend unfruchtbar.
Subklinische Endometritis
Bei einer «unsichtbaren» Gebärmutterentzündung verändert sich deren Innenauskleidung: Eingelagerte Entzündungszellen stören die Kommunikation mit dem Embryo und seine Einnistung in die Schleimhaut.
Eitriger Ausfluss
Bei Kühen die eitrig «drecken», ist die Schleimhaut der Gebärmutter so krank, dass nicht mit dem Embryo kommunizieren kann.
Der Embryo hat keine Überlebenschancen.
Genetische Inkompatiblität
Es gibt Anpaarungen, die genetisch nicht zueinander passen.
Ein Embryo, der daraus entsteht, ist nicht lebensfähig.
Insbesondere, wenn man
- Zwei Träger bestimmter Erbfehler (z.B. in Vergangeneheit Brachyspina, DUMPS bei HO) anpaart.
- Zwei Haplotyp-Träger (z.B. in Vergangenheit BH2 beim Braunvieh) anpaart.
Die Embryonen, die homozygot eine solche nachteilige Genvariante von Kuh und Stier vererbt bekommen, sterben ab.
Oft dauert es eine Zeit, bis die Genetiker solchen Erbfehlern auf der Spur sind und eine Erklärung für diese Phänomene bieten können.
Ein Stierenwechsel auf Verdacht nach mehreren Nachbesamungen ist daher manchmal ratsam.
Infektiöse Ursachen
Treten Bestandsprobleme mit umrindernden Kühen urplötzlich auf, muss man auch an infektiöse Ursachen denken, die zum Absterben von Embryonen führen.
Vor allem wenn viele Tiere ziemlich gleichzeitig in verschiedenen Trächtigkeitsstadien umrindern, kann der Verdacht nahe liegen!
Eine Auswahl "unserer" Aborterreger:
BVD (Bovine Virus Diarrhöe)
Bis zur kompletten BVD-Ausrottung ist BVD immer als möglicher Grund für umrindernde Kühe in Betracht zu ziehen
Schmallenberg-Virus
Das 2011 neu-entdeckte Schmallenberg-Virus wird von Mücken übertragen. Es verursacht Missbildungen und Aborte.
Q-Fieber (Coxiella burnetti)
Coxiellose wird über Zecken oder aerogen durch die Luft übertragen. Diese Zoonose kann auch bei schwangeren Frauen Aborte auslösen!
Chlamydien (Chlamydophilia abortus)
Diese Chlamydien-Arten sind für embryonalen Frühtod und Aborte bei Schafen und Ziegen – aber auch bei Rindern - verantwortlich. Sie können auch Menschen krank machen.
Neosporose (Neospora caninum)
Neosporen sind Einzeller, die sich vertikal in Kuhfamilien und horizontal über Nachgeburten und Abortmaterial verbreiten. Auch der (Hof)hund kann zur Verbreitung beitragen.
Vibrionenseuche (Tritrichomonas foetus)
Trichomonaden sind Parasiten, die früher häufig durch Deckstiere von Kuh zu Kuh übertragen wurden. Seit Einführung der Besamung haben wir sie im Griff.
Wegen der wirtschaftlichen und sanitarischen Bedeutung infektiöser Aborte, ist es wichtig diese zeitnah und akribisch abzuklären!
Beratungsartikel
Unsere eigenen Beratungs-Artikel zu Infektionskrankheiten, die Aborte auslösen findest Du hier:
Wie erkennt man, dass Kühe umrindern?
Spätes Umrindern
Manchmal kommt es sogar trotz positiver Trächtigkeitsuntersuchung zum (späten) Umrindern. Daher darf man sich auf Untersuchungen in frühem Trächtigkeitsstadium nicht 100% verlassen.
Warnsignale fürs Umrindern
Erhöhtes Risiko fürs Umrindern | Warnsignale |
Abbau von Körperkondition | > 1 BCS-Punkt abgebaut |
Energiemangel / Ketose | |
Rohfasermangel / Azidose | Milchfett < 3,6% Eingeschränkte Pansentätigkeit: |
Eiweissüberversorgung | |
Mineralstoffdefizit | Mangel an Selen, Mangan, Kupfer, Zink |
Vitaminmangel | Mangel an Vitamin E und ß-Carotin |
Hohe Mykotoxingehalte Hefebefall in der Silage | |
Mangelhafte Wasserqualität | Biofilm und Ablagerungen in den Tränken |
Ungünstige Stallverhältnisse | |
Weniger als 50% der Scham steht senkrecht | |
Endometritis | |
Erbfehlerträgerin | Hohe Wahrscheinlichkeit ausgewiesen durch den Zuchtverband |
Aborterreger im Betrieb | Erregernachweis bei der Abortabklärung |
Andere Kühe, die wieder zurück in Brunst kommen
Selbstverständlich gibt es auch Kühe, die wegen Fehler vor oder bei der Besamung gar nicht erst tragend werden.
Sie kommen selbstverständlich auch nach 21 Tagen zurück in Brunst.
Schlechtes Brunstmanagement
Das A und O guter Besamungsresultate und erfolgreicher Trächtigkeiten ist die Brunsterkennung und die richtigen Schlüsse, die der Betriebsleiter/die Betriebsleiterin daraus zieht. Stimmt all dies nicht, werden die Kühe im Betrieb immer wieder zurück in Brunst kommen.
Falscher Besamungszeitpunkt
Wird die Kuh vor oder nach dem optimalen Besamungszeitraum zugelassen, sinken die Chancen, dass sie tragend wird. Wird in einem Betrieb kontinuierlich ein falscher Besamungszeitpunkt gewählt, kann sich dies zu einem tatsächlichen Fruchtbarkeitsproblem auf Herdenebene auswachsen.
Zu kurze Rastzeit
Die Kühe brauchen nach der Geburt eine ausreichende Erholungszeit, damit sie wieder tragend werden können. Eine freiwillige Wartezeit von ca. 60 Tagen ist für ein gutes Trächtigkeitsergebnis empfohlen. Wartest Du kürzer, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass die Kuh zurück in Brunst kommt.
Qualität des Stiers
Natürlich muss auch die männliche Seite passen und der Samen befruchtungsfähig sein, damit Kühe tragend werden können. Tiefgefrorenes Sperma unterliegt deshalb strengen Kontrollen. Ist ein Natursprungstier ein «Blindgänger», kann das die Fruchtbarkeit einer ganzen Herde torpedieren.
Qualität des Samenhandlings
Mit tiefgefrorenen Samendosen muss man sorgsam umgehen, damit ihre Befruchtungsfähigkeit erhalten bleibt. Fehler im Samenhandling zeigen sich später darin, dass die besamte Kuh zurück in Brunst kommt.
Auf alle Details sind daher penibel zu achten.
Qualität der Samenübertragung
Die Art und Weise wie die Kuh besamt wird, hat ebenfalls einen grossen Einfluss darauf, ob diese tragend wird oder nicht.
Insbesondere die Hygiene, die reibungslose Zervixpassage und der Ort der Samenablage sind entscheidende Faktoren.
Ziele bei Kühen, die ständig umrindern
Oberstes Ziel: Kühe, die auf die erste Besamung «packen».
Da die Ursachen für ständig umrindernde Kühe so vielschichtig sind, ist es oft schwierig den tatsächlichen Grund herauszufinden.
Wichtig ist zu unterscheiden, ob es sich um ein Einzeltier- oder ein Herdenproblem handelt.
Einzeltierproblem
Einzelne Problemkühe, die ständig umrindern, sollten tierärztlich gründlich gynäkologisch untersucht werden – insbesondere Erkrankungen der Gebärmutter können so abgeklärt werden.
- Palpatorische, rektale Untersuchung
- Ultraschalluntersuchung der Gebärmutterschleimhaut zum Ausschluss einer Endometritis
- Vaginale Untersuchung per Spekulum zum Ausschluss einer Senkscheide
- Gewebeprobe-Entnahme (Biopsie) zum Ausschluss einer subklinischen Endometritis
- Progesteronwert-Bestimmung im Blut am 5. Tag nach der Besamung Kühe mit nachgewiesenem Progesteron-Defizit können nach Absprache mit dem Tierarzt/ der Tierärztin versuchsweise mit Progesteron-Präparaten behandelt werden. Die Wirksamkeit der Anwendung wird in Übersee gehypt. Sie ist in Europa allerdings umstritten.
Bestandsproblem
Wie bei den meisten Fruchtbarkeitsproblemen auf Betriebsebene läuft es auch beim Umrindern meist auf Fehler in der Fütterung und/oder Haltung hinaus. Von daher sollte die Fehlersuche in diesen Bereichen beginnen und die Risikofaktoren (s.Tabelle) abgeklärt werden.
- Energieversorgung vor und nach dem Abkalben optimieren
- Rohproteingehalt der Ration ausgleichen
- Futter- und Wasserqualität verbessern
- Mineralstoffe und Vitamine bedarfsgerecht füttern
- Die Futteraufnahme-bremsenden Faktoren im Stall abschaffen
Praxis-Tipp: Viele Kühe im Bestand, die umrindern – was tun?
- Stoffwechselsituation der frischlaktierenden Kühe regelmässig testen (Ketosetest)
- Über Fett- und Eiweissgehalt der Milch die Energieversorgung Deiner Kühe kontinuierlich überwachen
- evtl. mit stoffwechselstabilisierenden Substanzen «nachhelfen»
- Harnstoffgehalt der Milch überprüfen. Mit energiereichen Futtermitteln wie Mais oder Getreidemischungen evt. entgegenwirken.
- Regelmässiges BCS, damit Fehlentwicklungen schnell auffallen
- Die Wasserversorgung und Haltungsbedingungen deiner Kühe kritisch prüfen und wenn nötig optimieren
- Das Wiederkauverhalten überprüfen, den Kot auswaschen und die Pansentätigkeit abhören
- Untersuchung verdächtiger Futtermittel (Silage!) auf Schimmelpilzbelastung und bakterielle Verderbniserreger.
- Wasserproben untersuchen.
- Aborterreger abklären, wenn mehrere Tiere azyklisch umrindern – evt. als Doppelprobe im Abstand von 10 Tagen zur Bestimmung des Titerverlauf der Antikörper)